Ordensgemeinschaften in Deutschland

Heil mit Brüchen und Narben

Bei meinem Eintritt in den Karmel mit 24 Jahren habe ich mir meinen Weg im Kloster recht klar und vor allem geradlinig vorgestellt. Heute, nach mehr als 40 Jahren, schaue ich auf einen Weg zurück, der manch unerwartete Kurve aufweist. Es gab Scherben, Brüche und auch Einbrüche. Aus manch innerem Jakobskampf bin ich hinkend hervorgegangen. Von mancher Verwundung trage ich noch Narben. Manche Untugend wird mir als Stachel im Fleisch wohl bleiben.

Und doch war und ist es ein guter Weg. In der Rückschau kann ich nur staunen und danken. Ja, ich bin reich beschenkt worden, gerade auch in den Etappen, in denen ich fast zerbrochen wäre und aus denen ich doch stärker hervor­gegangen bin – aber nicht aus eigener Kraft.

Da kommt mir das Bild der Kintsugi-Schale in den Sinn, das mir bei Exerzitien geschenkt wurde: die japanische Kunst, Zerbroch­enes wieder heil zu machen, aber nicht dadurch, dass alle Risse und Sprünge kunstvoll weggear­beitet werden. Das Unvoll­kommene, das Abgegriffene und vom Leben Ge­zeich­nete wird gerade nicht ka­schiert, sondern bewusst hervor­gehoben, sogar mit Goldlack. Denn die Kratzer und Risse und Sprünge geben dem Gefäß seine eigen­tüm­liche Würde und Schön­heit. Sie zeigen, dass es benutzt worden ist, dass es seine Aufgabe erfüllt hat. Und sie machen es zu einem einmaligen Stück, während es vorher eines von vielen, eine Fließbandarbeit war.

So ist es auch mit den Brüchen, Scherben und Narben in unserem Leben: Sie gehören wesentlich dazu. Sie haben uns zu denen gemacht, die wir heute sind, und helfen uns, die zu werden, die wir noch werden können. Sie machen uns zutiefst menschlich: so menschlich wie Gott in Jesus werden wollte und auch in uns werden will. Und genau das ist es, was die Bibel Vollkommenheit nennt: nicht Perfektion, sondern tiefe Gottesnähe in aller Unvoll­kommen­heit.

Foto: Haragayato

Über die Autorin

Sr. Elisabeth Peeters OCD lebt im Karmel Kirchzarten bei Freiburg im Breisgau.

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