Ordensgemeinschaften in Deutschland

Experten der Abschiedlichkeit

Zu Beginn meiner Amtszeit als Priorin erhielt ich zu meiner Überraschung von einer angesehen Brüdergemeinschaft ein hochoffiziell dreifach signiertes Schreiben mit Anteil nehmenden Worten. Nein, nicht zur Amtseinführung, wie Sie jetzt vermuten könnten, sondern zu meinem Heimgang. Dieses Missgeschick einer Namens-Verwechslung hat mich zum Schmunzeln gebracht, mir aber auch in zweierlei Hinsicht zu denken gegeben.

Zum einen machte mich nachdenklich, dieses Schreiben galt nicht mir, sondern meiner tatsächlich gerade verstorbenen Mitschwester. Es sollte der stille und bescheidene, Jahrzehnte währende Dienst eines 65jährigen Ordenslebens geehrt werden. Das wirft die Frage nach den Prioritäten auf, nach dem, was wesentlich und wichtig ist. Leiten ist eben nur eine Gabe neben vielen anderen.

Ein zweiter Gedanke ging mir durch den Kopf: Wie verstehe ich mein neues Amt, meine Aufgabe? Geht es darum,- endlich - eigene Ideen umzusetzen, was so vorher vielleicht gar nicht möglich war, und diese der Gemeinschaft überzustülpen? Womöglich in rigoroser Weise, ohne Rücksicht auf Verluste? Was kann ich tun, um die gemeinsame Suche nach Gott nicht aus dem Blick zu verlieren und zu einem guten Miteinander und zu Vertrauen in der Gemeinschaft beizutragen?

Unlängst las ich, dass Machtausübung auch als Kampf gegen die Sterblichkeit verstanden werden kann. Letztendlich ist der Verzicht auf Machtausübung die Annahme der eigenen Ohnmacht – Scheitern inbegriffen - und des Todes. Dies könnte erklären, warum der Verlust der Macht oft so drastisch erlebt wird. „Macht und abschiedliche Existenz vertragen sich nicht“, heißt es.

Ich frage mich: Sollten wir Ordensleute nicht Experten der Abschiedlichkeit sein? Ein Blick auf das Kreuz kann dazu beitragen, dieses beherzter in den Fokus zu rücken, die eigene Haltung zu überdenken und sich nicht allzu wichtig zu nehmen. Dies macht frei. Eine positiv gelebte Abschiedlichkeit – im Blick auf den auferstandenen Herrn - schafft ein gesundes Maß an Distanz und Gelassenheit und lässt neues Leben wachsen.

Über die Autorin

Sr. M. Marina Dirks ist Priorin des Dominikanerinnenklosters Heilig Kreuz in Regensburg

Zur Homepage des des Dominikanerinnenklosters Heilig Kreuz in Regensburg