Der Blick zurück als Blick nach vorn
Die Aufbruchstimmung während des II. Vat. Konzils hat mit dem Impuls „zurück zu den Quellen“, den Blick auf die Schätze unserer spirituellen Traditionen gelenkt. In den Orden besann man sich auf das Charisma der Gründer und fragte sich, wie das in unserer Zeit kreativ gelebt werden kann. Das war ermutigend und von Hoffnung getragen. Mit Traditionalisten heute haben wir es schwer – zumal in der Kirche. Der Blick auf die Ordens- und Kirchengeschichte bringt aber immer wieder Erstaunliches zu Tage.
Für die aktuell heiß diskutierte Frage nach der Rolle der Frau in der Kirche, hat der Heiligenkalender im September einiges zu bieten. Drei große Benediktinerinnen stehen darin in diesem Monat: Am 4. Erentrud vom Nonnberg, am 17. Hildegard von Bingen, am 28. Lioba von Tauberbischofsheim. Erentrud und Lioba wirkten als Äbtissinnen erfolgreich im 8. und 9. Jahrhundert und haben nachhaltig das kirchliche Leben in ihren Einflussbereichen gestaltet. Das ist nicht singulär, denn die Kirchengeschichte kennt zu allen Zeiten überragende Frauengestalten. Was ich bemerkenswert finde ist, dass beide von großen Kirchenmännern an die Orte ihres Wirkens gerufen wurden: Erentrud von ihrem Oheim Rupert von Salzburg, Lioba von ihrem Verwandten Bonifatius. Und da sind wir an dem Punkt, an dem wir heute wieder anknüpfen müssen: Es braucht die weitsichtigen Kirchenmänner wie Rupert und Bonifatius, die sich kompetente Frauen an die Seite holten, weil sie verstanden hatten, dass ihr eigenes Missionieren auf das Charisma der Frauen nicht verzichten kann. - Unsere Frage ist also nicht, wo sind heute diese Frauen, sondern wo sind heute diese Bischöfe? Im Vatikan oder in Ordinariaten ein paar Stellen mehr mit Frauen zu besetzen, kann noch nicht die Antwort sein.
Erentrud und Lioba sind als leuchtende Vorbilder immer noch inspirierend. - Und das ist in der Mitte des Monats auch Hildegard von Bingen. Ihre mutige Prälatenschelte ist leider nicht so populär wie der Dinkel – aber das ist ein neues Kapitel.