Es gibt eine Armut, die großes Unrecht ist und die bekämpft werden muss, weil sie Menschen um das Leben mit seinen Möglichkeiten bringt. In Gesprächen mit Menschen, die wir im Kirchenasyl begleiten, in Gesprächen mit „befreundeten“ obdachlosen Menschen oder bei Besuchen mit unseren Mitschwestern in brasilianischen Favelas, erlebe ich sehr intensiv, wie „privilegiert“ wir, auch im Orden, hier leben. Da sind wir „privilegierten Menschen“ aufgefordert, für eine neue Kultur des Teilens einzutreten und uns darauf einzulassen.
In der franziskanischen Tradition und auf den Spuren Jesu heißt TEILEN auch: Auf Macht und Privilegien verzichten, Statusunterschiede zwischen Menschen abbauen und allen Menschen ihre Würde zuerkennen.
Es gibt auch eine „gesegnete Armut“. Franziskus hat sie nicht nur materiell und sichtbar gelebt, sondern auch ihre inneren Gesichter kennen und lieben gelernt. Er nennt sie die „Gefährtinnen“ der Schlichtheit und Einfachheit. Und meint damit eine Armut des Herzens und des Geistes, die in die Freude und ins Vertrauen führt.
Spüre ich manchmal, dass ich arm bin? In welchen Situationen komme ich damit in Berührung? Die Armut, keine Lösungen auf drängende Probleme zu wissen, die Armut, nicht die richtigen Worte zu finden, die Armut, mit meinen Gedanken und Fragen allein da zu stehen, die Armut meiner Unzulänglichkeit, die Armut, einem mir vertrauten Menschen nicht gerecht zu werden, die Armut, mich nicht aussöhnen zu können mit Verwundungen meiner Geschichte … Die Armut hat viele Gesichter.