Ordensgemeinschaften in Deutschland

Kolumne: „Das Kreuz, ein Zeichen, dem widersprochen wird!“

An diesem Sonntag sind in Nordrheinwestfalen Kommunalwahlen und es wird für viele in den Städten und Dörfern sicher spannend werden, wie die Stadt- und Gemeinderäte zusammengesetzt sind und wer als Bürgermeister:in ins jeweilige Rathaus einziehen wird. In Anlehnung an verschiedene kritische Positionen seitens der Kirche in Bezug zur Migrationsdebatte im Bundestag im Vorfeld der Bundestagswahl im Februar diesen Jahres hat die jetzige Bundestagspräsidentin Julia Klöckner die Diskussion in Gang gesetzt, wie politisch Kirche sein darf. Ihre Position dazu ist allerdings umstritten, weil diese den Eindruck macht, dass die Kirche politische Auffassung und Interessen nicht kritisch hinterfragen und sich aus der Politik heraushalten soll. Anders ausgedrückt: Die Aufforderung zur politischen Neutralität macht den Eindruck, unbequeme politische Auffassungen zum Schweigen zu bringen.

Das katholische Stadtdekanat Münster hat im Vorfeld der Kommunalwahl die Bürgermeisterkandidat:innen der verschiedenen Parteien u.a. eben auch dazu befragt, wie politisch Kirche sein darf und in einem eigenen Magazin zur Kommunalwahl herausgebracht. Bis auf einen Kandidaten, dessen Antworten auf alle gestellten Fragen m.E. eher etwas Satirisches an sich haben, sehen alle Kandidat:innen beide Kirchen als einen wichtigen politischen und gesellschaftlichen Player, der in seinen Auffassungen nicht einfach übergangen werden kann. Natürlich unterschieden sich die Parteien im Maß ihrer Wertschätzung zur Rolle der Kirchen, klar! Jetzt mag man sagen, dass das im katholischen Münster doch kein Wunder ist, weil eben die Kirche Trägerin vieler Bildungs- und Sozialeinrichtungen ist und mit ihren zahlreichen Kirchen das historische Stadtbild prägt. Für die Stadt sind besonders die Einrichtungen einfach notwendig und ohnehin: Jede Stimme zählt! Und zum Wahlkampf gehört ein gewisses Maß an Kirchenfreundlichkeit dazu, weil die Leser:innen dieses Magazins voraussichtlich Menschen mit einer engeren Kirchenbindung und verlässliche Wäher:innen sind. Ja sicher, Wahlkampf ist drin, keine Frage! Aber ich glaube, dass ein größerer Teil der gefragten Kommunalpolitiker:innen darum weiß, dass beide Kirchen und ihre Institutionen eine ganze Menge Aufgaben sowohl in Institutionen aber auch im Ehrenamt tragen und mit ihren Wert- und Lebensvorstellungen unsere Gesellschaft stabilisieren und Zusammenhalt schaffen können; egal ob katholische oder evangelische Kirche!

Die Kirchen haben diese Aufgaben übernommen und tragen diese aber nicht allein deshalb weiter, weil sie dafür auf andere Weise refinanziert werden, sondern weil es zu ihrem Evangeliums gemäßen Auftrag gehört, sich gestalterisch in die jeweilige Gesellschaft einzubringen, Verantwortung zu übernehmen und sich ggf. politisch zu positionieren.

Heute ist aber in NRW nicht nur die Kommunalwahl, sondern wir feiern in der katholischen Kirche auch das Fest Kreuzerhöhung. Dieses Fest geht auf die Legende zurück, dass die Auffindung des Kreuzes und des Kreuzigungsort Jesu der Mutter von Kaiser Konstantin, Helena, zu verdanken sei. An dieser vermuteten Stelle steht nun in Jerusalem die Grabeskirche.

Das Kreuz ist per se für die Christ:innen aller Konfessionen nicht nur das Zeichen der Erlösung, sondern eben auch ein politisches Zeichen. Negativ politisch, weil es oft genug in der Geschichte von weltlichen und kirchlichen Herrschaften missbraucht wurde, um eigene Machtansprüche durchzusetzen und Menschen zu unterdrücken. Das ist schlimm und weiß Gott nicht ruhmreich! – Positiv politisch, weil es sich in diktatorischen Systemen des letzten 20. Jahrhunderts oft genug an die Seite der Menschen gestellt hat. Bischof Oskar Romero von San Salvador (1917-1980) ist für mich hier beispielhaft.

Hinter den Kreuz Jesu, dass an diesem Fest im Mittelpunkt steht, steckt aber die Botschaft Jesu Christi, und die ist politisch! Diese Botschaft ist eine Option für Arme und andere an den Rand gedrängter oder aus der Gesellschaft ausgeschlossene Menschen, denen die Kirche mit ihrem caritativen Engagement begegnen möchte. Wenn also die Kirche in diesem Sinn politisch und gesellschaftskritisch ist, dann geht es um die Botschaft Jesu und nicht um die Sicherung eigener Interessen oder um Machtansprüche. Sie gibt jenen eine Stimme, die sonst nicht zu Wort kommen. Gott sei Dank!

Dass in NRW an diesem Sonntag die Kommunalwahl und das Fest zusammenfallen, ist nicht beabsichtigt, aber eine gute Gelegenheit, um noch einmal zu betonen, dass die Botschaft, für die das Kreuz und damit die Kirche, oder besser die Kirchen stehen, politisch ist, ob es passt oder eben nicht.

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Über den Autor

Br. Konrad Schneermann CAN ist Leiter der Brüdergemeinschaft der Canesianer.

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