Ordensgemeinschaften in Deutschland

Kolumne: Die alten Brücken hinter sich abrechen

Das Thema „loslassen, um sich neuen Aufgaben zu stellen“, ist in verschiedenen Varianten seit jeher ein Thema der Personalgewinnung und Personalentwicklung. Es ist also nichts Un- oder Außergewöhnliches, wenn Jesus von denen, die ihm nachfolgen wollen, erwartet, dass sie sich von allem trennen, was bisher ihre Lebensmitte war. Nur wer bereit ist, alle Brücken hinter sich abzubrechen, kann, so sagt er, das neue rettende Ufer erreichen, dessen Garant er ist. Vermutlich haben viele von uns noch die alte Übersetzung im Ohr, in der als Voraussetzung für die Nachfolge Jesu erwartet wurde, den sonst üblichen Lebensinhalt zu hassen. Das Wort „miseo“, das Lukas 14, 26 verwendet, lässt beide Übersetzungen zu. Aber im Grunde ändert das nicht viel. Der Hass ist vielleicht etwas emotionsgeladener, aber eine andauernde Geringschätzung ist für die Betroffenen nicht weniger verletzend. „Der größte Gegensatz zur Liebe ist nicht der Hass, sondern die Gleichgültigkeit!“ hat mal jemand gesagt. Beides passt nicht zu den Worten und dem sonstigen Verhalten Jesu.  Wie können wir also das „miseo“ des heutigen Evangeliums in das Gesamt seiner Lehre einordnen?

In Psalm 45, 11 - 17, den wir regelmäßig im Stundenbuch beten, begegnet uns das Thema „loslassen, um sich neuen Aufgaben zu stellen“ in einem anderen Zusammenhang. Da ist von der Königstocher die Rede, die ihr Volk und das Haus ihrer Väter vergessen soll, weil „der König nach ihrer Schönheit verlangt“. In den Bildern einer orientalischen Hochzeit wird erzählt, was für eine Pracht, Jubel und Freude sie erwarten, wenn sie bereit ist, sich „vor dem Herrn niederzuwerfen“. In beiden Testamenten wird das Bild von der Braut auch als Bild für die von Gott geliebte und gerufene menschliche Seele verwendet. Und in diesem Zusammenhang einer personalen Liebebeziehung hat die Nichtachtung alles Früheren keinen negativen Klang mehr.

Die starke Betonung des „pilgernden Gottesvolkes“ auf dem 2. Vatikanum, hat das Bild von der Kirche als Braut des Lammes in den Hintergrund gedrückt. Dass die Seele des Christen immer auch „sponsa Christi“ sein soll, ist heute selbst in der Ordensspiritualität kaum noch Thema. Wenn wir wieder sehen lernen würden, dass der Jesus, der den Verzicht auf alles fordert, was nicht ER ist auch der Herr ist, in dessen königlichem Palast wir erwartet werden, dann ist der Weg der Nachfolge jeder Weg trotz der Kreuze in noch tieferem Maße ein Weg der Freude und der Hoffnung.

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Über die Autorin

Sr. M. Dominika Kinder CSSE ist Ordensmitglied der Schwestern v. d. hl. Elisabeth sowie päpstliche Kommissarin des Ursulinenklosters in Neustadt a. d. Dosse

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