Kolumne: Die Freude Gottes
Therese von Lisieux sprach oft davon, „dem lieben Gott eine Freude zu machen.“ Was aber macht Gott eigentlich Freude? Die Freude des Menschen an Gott kommt in der Bibel an vielen Stellen zum Ausdruck. Von der umgekehrten Freude, der Freude Gottes am Menschen ist sehr viel seltener die Rede, dafür allerdings an einer zentralen Stelle: im 15. Kapitel des Lukasevangeliums mit seinen Gleichnissen vom verlorenen Schaf, der verlorenen Drachme und dem verlorenen Sohn. Immer, jedes einzelne Mal wird dabei von der geradezu überschäumenden Freude des Himmels (also Gottes) darüber berichtet, dass das Verlorene wiedergefunden wurde.
Mit anderen Worten: um Gott eine Freude zu machen, muss ich nicht perfekt oder gar ohne Sünde sein. Der verlorene Sohn war es nicht, und er sah vermutlich auch nicht sonderlich gut aus, sondern ziemlich dreckig und zerlumpt. Und das verlorene Schaf steht ganz explizit für den einen Sünder im Gegensatz zu den 99 Gerechten.
Nein, was Gott offensichtlich eine Riesenfreude macht ist, wenn er den verlorenen Menschen wieder findet, wenn dieser umkehrt und sich finden lässt.
Dazu ist es sicher nicht notwendig, sich erst als Schweinehirt zu verdingen oder sich tagelang in unwegsamem Gelände zu verirren. Es reicht, dass ich mich Ihm zuwende, mit allem, was ich mitbringe, an Gutem und Schlechten, an Großem und an Kleinem, an Gelungenem und Missratenem, ja selbst mit meiner Sünde – und mich mit all dem IHM überlasse im Vertrauen, dass Er mich aufnimmt wie der Vater sein verlorenes Kind. Und sich über meine Hinwendung zu Ihm nicht nur freut, sondern wie der Vater bei der Rückkehr seines verlorenen Sohnes jubelt und nichts lieber tut, als mich von neuem zu beschenken.
Diese Freude Gottes am Menschen aber ist der tiefste Grund der Freude des Menschen an Gott: sie springt über, steckt an. Mich selbst – und bisweilen durch mich auch andere.