Kolumne: Glauben heißt: nicht lockerlassen
Es gibt Tage, da fühlt sich Beten an wie eine Endlosschleife. Immer dieselben Bitten, dieselben Worte – und nichts bewegt sich. Der Himmel scheint zu schweigen.
Der Evangelist Lukas erzählt von einer Frau, die genau das kennt: Sie klopft an, Tag für Tag, bei einem Richter, der von Gerechtigkeit so viel versteht wie ein Regenschirm von Sonnenschein. Aber sie hört nicht auf. Nervt ihn, bis er einknickt. Jesus nennt sie ein Vorbild. Hartnäckig, unverschämt, unermüdlich. Glauben heißt: weiter anklopfen, auch wenn die Tür verriegelt scheint.
Diese Frau steht für mehr als nur für Gebet. Sie steht für alle, die nicht aufgeben, wo andere längst abgewunken haben. Wir kennen das: Wenn wir den Mund aufmachen gegen Ungerechtigkeit, hören wir schnell: „Das bringt doch nichts.“ Klimakrise, Kriege, Migrationsfragen, soziale Kluft – die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Und die Versuchung, zu resignieren, ist groß.
Aber dann kommt diese Witwe ins Spiel. Sie sagt: Gib nicht nach. Stell dich hin, immer wieder. Schreib Briefe. Geh auf die Straße. Halte den Mund nicht, auch wenn Schweigen bequemer wäre.
Ich erinnere mich an meine Zeit bei der Initiative Ordensleute für den Frieden. Immer wieder standen wir mit Transparenten auf der Straße: „Unser Wirtschaftssystem geht über Leichen.“ Manche schüttelten den Kopf, andere lachten. Doch wir kamen wieder. Jahr für Jahr. Mit denselben Transparenten, derselben Hoffnung. Und irgendwann sagte sogar der Papst: „Diese Wirtschaft tötet“ (Evangelii gaudium 53). Da war sie wieder, die leise, unbeirrbare Stimme der Witwe: die, die nicht lockerlässt, bis jemand endlich hinhört.
Vielleicht verändert sich nicht sofort die Welt. Aber etwas verändert sich in dir: Du wirst Teil der Beharrlichkeit Gottes. Denn Gerechtigkeit fällt nicht vom Himmel. Sie wächst mit jedem Schritt, den Menschen gehen, die standhalten.
Am Ende des Sonntagsevangeliums fragt Jesus: „Wird der Menschensohn Glauben finden?“ Vielleicht meint er: Wird er Menschen finden, die dranbleiben – gegen den Augenschein, gegen die Resignation, für das Reich Gottes?
Heute ist ein guter Tag, um damit anzufangen. Oder wieder anzufangen. Einfach, weil die Welt es wert ist. Und weil Gott keine Ruhe gibt, bis Gerechtigkeit aufscheint unter uns.
Inhaltlicher Bezug: Evangelium vom 29. Sonntag im Jahreskreis – Lesejahr C (Lk 18, 1-8) – 19.10.2025