Ordensgemeinschaften in Deutschland

Kolumne: Mutig von Augenblick zu Augenblick

„Gehe mutig von Augenblick zu Augenblick – auf dem Weg, auf den Gott dich gebracht hat, um zu ihm zu gelangen.“ Diese Worte unserer Ordenspatronin Luise von Marillac (1591-1660) begleiten mich seit langem. Und doch – im Alltag fällt es mir nicht immer leicht, diesem Vertrauen Raum zu geben. Besonders dann, wenn die Herausforderungen drängend und überwältigend scheinen. Gerade deshalb berührt mich das Leben der heiligen Luise so tief. Ihr Mut wuchs nicht aus großen Gesten, sondern aus kleinen Schritten. 1633 nahm sie in ihrem Haus in Paris junge Bäuerinnen auf – Mädchen, für die Bildung damals nicht vorgesehen war. Luise unterrichtete sie im Lesen und Schreiben, bereitete sie auf ein Leben im Dienst an anderen vor. Gemeinsam betreuten sie Findelkinder, kranke Menschen und Strafgefangene. Sie richteten Suppenküchen ein. Sie lernten, mit offenem Herzen den ausgegrenzten Menschen zu begegnen. Schritt für Schritt wuchs aus dieser kleinen Gemeinschaft mit Unterstützung des hl. Vinzenz von Paul eine Bewegung heran: die Töchter der christlichen Liebe – deren geistliche und praktische Linie wir als Vinzentinerinnen weitertragen.

Heute stehen wir vor neuen Herausforderungen: Der Rückzug der Kirche aus vielen Lebensbereichen, wachsende Säkularisierung, gesellschaftliche Spaltung. Viele Menschen können mit Ordensleben nichts mehr anfangen. Und doch frage ich mich: Ist nicht gerade das ein Moment, in dem wir neu mutig sein dürfen – wie Luise? Wie Madeleine Delbrêl?

Madeleine Delbrêl war eine der ersten, die die Säkularisierung nicht als Verlust, sondern als Sendung begriff. Sie lebte in Ivry, einem Arbeitervorort von Paris, der früh kommunistisch regiert wurde. Christliche Kreise waren entsetzt. Madeleine aber erkannte, dass auch jene, die sich als gottlos bezeichneten, gegen Ungerechtigkeit kämpften. Und sie entschied sich, mit ihrem kleinen Kreis christlicher Frauen dort zu leben, wo die Not am größten war – mitten unter den Menschen. „Je kirchenloser die Welt ist, in die man hineingeht“, schrieb sie, „umso mehr muss man Kirche sein.“ Dieser Satz macht uns Mut. In Hildesheim wollen wir mit einer Stiftung auf dem ehemaligen Bischofssitz Gut Steuerwald, einen Sozialcampus entwickeln. Soziales Engagement bringt Menschen zusammen. Inklusion wird konkret, Kirche lebt.

Wenn wir – wie Luise, wie Madeleine – mutig von Augenblick zu Augenblick gehen, dann können auch heute noch kleine Schritte Großes bewirken. Dann wird unser Glaube spürbar in einer Welt, die genau das so dringend braucht: Vertrauen, dass Gott schon da ist. Und dass er mitgeht. Schritt für Schritt.

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Über die Autorin

Sr. M. Teresa Slaby ist Generaloberin der Vinzentinerinnen in Hildesheim

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