Ordensgemeinschaften in Deutschland

Kolumne: Nicht heil, aber heilig!

In diesen Tagen feiern wir das Fest der Heiligen Familie: die Familie von Bethlehem - sie ist uns Begleiter und Vorbild zugleich. Viele Widrigkeiten stellten sich ihnen damals in den Weg: keine Herberge, folglich Geburt in einem Stall, später Verfolgung und Flucht, einmal die Suche nach dem verschwundenen Kind und Unverständnis beim Wiederfinden im Tempel; schließlich der furchtbare Tod des Sohnes am Kreuz. Auch in der heutigen Zeit werden die Menschen, die Familien, von Sorgen und Nöten begleitet - daran hat sich nichts geändert, nur die Schauplätze sind andere. Kriege und Terror versetzen die Menschen in Angst und Schrecken, nehmen ihnen ihre Heimat, ihre Existenz, zwingen sie zur Flucht, Familien werden auseinandergerissen. Und auch in einer sogenannten „heilen“ Welt leiden die Menschen: häusliche Gewalt, Missbrauch, Hass und Streit, Armut und Not, Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit. Man könnte die Aufzählung beliebig fortsetzen. 

Und hier möchte ich die Heilige Familie zum Vorbild werden lassen: gegenseitige Achtung, Fürsorglichkeit, Zusammenstehen in schwierigen Situationen, ein Leben in Einfachheit und nicht zuletzt Vertrauen auf Gottes wohlwollende Führung sind ein Garant für ein fried- und respektvolles Zusammenleben. Und wenn diese Werte und Tugenden über die Familie hinausgetragen werden, wenn wir jedem Menschen, der uns begegnet, Achtung und Respekt entgegenbringen, dann ist der Weg zu einem friedvollen Zusammenleben geebnet.

Es erfüllt mich mit einer großen Zufriedenheit, dass wir Vinzentinerinnen in Fulda das Erbe unseres Ordenspatrons Vinzenz von Paul weitertragen können, indem wir seit diesem Jahr eine Notschlafstelle für Frauen, die Gewalt erfahren haben und Schutz suchen, einrichten konnten. Seit Bestehen unseres Mutterhauses bekommen Menschen eine warme Mahlzeit und im Pfortenbereich bieten wir die Brotausgabe an.

Die Besinnung auf die Werte der Heiligen Familie kann Mut und Hoffnung für alle Menschen, für kleine Lebensgemeinschaften ebenso wie für Länder, Kontinente und die ganze Welt geben. Und so feiern wir zuversichtlich und getröstet das Fest der Heiligen Familie. In ihr wurde Gott gegenwärtig. Ihm sind sie nachgefolgt, ihm haben sie vertraut und sind die dunkelsten Wege im Vertrauen auf seine Verheißungen gegangen. Das machte diese Familie nicht heil, aber heilig.

Mir schenkt dieser Gedanke viel Trost. Auch unsere Ordensfamilien sind nicht idyllisch oder heil – und auch bestimmt nicht heilig. Aber Gott kommt in alle Zerrissenheit, in alles Unheile – ja gerade da möchte er gegenwärtig sein. Wir müssen ihm nur die Tür öffnen und ihn hereinbitten. Dann wird er uns wie die Heilige Familie in den Dienst nehmen, jeder auf seinem Platz und in der Weise, die Gott für ihn vorgesehen hat. Dann wird aus Ungewissheit Hoffnung, aus Zerrissenheit Heilung und aus Einsamkeit Miteinander.

Mit diesem hohen Gut können wir getrost in das neue Jahr hinübergehen. Meine Gedanken möchte ich schließen mit einem Gebet aus China: Ich sagte zu dem Engel, der an der Pforte des neuen Jahres stand:

„Gib mir ein Licht, damit ich sicheren Fußes der Ungewissheit entgegengehen kann.“

Aber er antwortete mir: „Gehe nur hinein in das Dunkel und lege deine Hand in die Hand Gottes. Das ist besser als ein Licht und sicherer als ein bekannter Weg.“

Ich wünsche allen ein von Gott gesegnetes Neues Jahr 2025!

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Über die Autorin

Sr. Birgit Bohn ist die Generaloberin der Barmherzigen Schwestern vom hl. Vinzenz von Paul.

Hier geht es zur Website des Mutterhauses der Barmherzigen Schwestern in Fulda.