Ordensgemeinschaften in Deutschland

Kolumne: So oder So!

Als Novizin habe ich damals bei der Betrachtung der Psalmen des Stundengebetes ganz andere Psalmen oder Verse wichtig empfunden als heute. Den Psalm 139 sehe ich heute jedoch noch ähnlich beglückend wie damals, weiß aber inzwischen, dass er von vielen ganz anders interpretiert wird als von mir, dass sie sich nicht getragen und geborgen wissen.

„HERR, du hast mich erforscht und kennst mich. Ob ich sitze oder stehe, du kennst es. Du durchschaust meine Gedanken von fern. Ob ich gehe oder ruhe, du hast es gemessen…“

Im Religionsunterricht bei jungen Erwachsenen erfuhr ich, dass die meisten Studierenden das, was ich als positiv ansah, bedrückend empfanden. Sie fühlten sich kontrolliert, sie empfanden Angst und Ohnmacht, ja insgesamt standen negative Gefühle des Überwachtseins im Vordergrund, so nach der alten, mit dem pädagogischen Zeigefinger vorgetragenen Wort aus der Kindheit: „Es ist ein Aug, das alles sieht, auch wenn es im Dunkeln geschieht“. Mir wurde daraufhin klar, wie viele Menschen heute noch, bewusst oder unbewusst in Gott das Geheimnis Tremendum et Faszinosum sehen, also im Spannungsfeld stehen zwischen Heil und Unheil, das Gott ihnen als Belohnung oder Bestrafung zumisst.

Wenn Jesus in seiner Botschaft immer wieder verkündete, dass „Gott Liebe ist und sonst nichts“, wie Karl Rahner in seinem Buch „Das große Kirchenjahr“ schreibt, dann ist Gottes Liebe zu uns bedingungslos, dann ist es schön zu wissen, ich bin gewollt, bin nie allein, bin gehalten und erkannt in meinem innersten Sein. Dann kann ich aus dieser Liebe nicht herausfallen, auch wenn ich Unrecht auf mich geladen habe.

Um das wirklich glauben und daraus leben zu können, sollten wir immer wieder mit Petrus beten: „Herr ich glaube, hilf mir in meinem Unglauben“. Und ein arabisches Sprichwort kann uns bewusstmachen, wie sehr Gott seine Schöpfung liebt und achtet: „In schwarzer Nacht auf schwarzem Stein eine schwarze Ameise, Gott sieht sie.“

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