Ordensgemeinschaften in Deutschland

Kolumne: Unser Leben ist ein Wunder

Ende Februar entdeckte ich an der Mauer unseres benachbarten Klosters in Steinfeld ein unscheinbares Gewächs, das halb abgestorben und vertrocknet war. Zugleich wuchsen kaum schon sichtbar erste grüne Knöspchen. Ein Gesträuch, an dem man normalerweise achtlos vorbeigeht, und das mit gutem Grund. Trotzdem fand ich irgendwie Gefallen an der Art der toten Blütenblätter, die wie ein Kreuz geformt waren, also jedenfalls mit 4 Blättern. So suchte ich einen geeigneten Winkel und machte mehrere Aufnahmen. Auf dem Bild gefiel es mir noch mehr als in Wirklichkeit, wo man von der weiteren Umgebung noch abgelenkt ist. Ich dachte: das könnte man sich glatt als großes Wandbild ins Wohnzimmer hängen, sofern man ein Wohnzimmer hat. Wir im Kloster haben keines und lieben auch keinen Wandschmuck, trotzdem, vorstellen kann man sich ja Vieles.

Zu denken, dass dies Gestrüpp Schöpfung Gottes ist und in jeder Jahreszeit sinnvoll lebt, erneuert den Blick auf die Welt grundlegend. Gerade das, was wir ablehnen oder hässlich finden, kann in Wirklichkeit unendlich schön sein. Wie sich das neue Grün aus dem scheinbar toten Holz hervorkämpft, hat etwas Rührendes und erzählt von der verborgenen Herrlichkeit Gottes, von seinem Tod und seiner Auferstehung. Dieses Tiefste spiegelt sich in den einfachsten Dingen wider, so wie sich auch der Himmel in einem Tümpel spiegeln kann. Unser Leben ist ein Wunder, jede Minute, jeder Atemzug. Danke, du guter Gott, dessen Gedanken weit über unseren Gedanken sind!

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Über die Autorin

Sr. Gratia Adler OCSO ist Äbtissin der Abtei Maria Frieden in Steinfeld.

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