Kolumne: Zerbrechlich
„Nichts hält ewig!“ so sagen wir oft, und wir alle wissen, dass dem so ist. „Nichts hält ewig!“ Bei dieser Aussage schwingt zumeist ein Ton des Bedauerns mit. Es schmerzt uns, wenn schöne Dinge vergehen, wir möchten sie bewahren, festhalten.
Vor einigen Monaten habe ich mir ein Buch gekauft mit dem Titel „Vom Zauber des Untergangs“ (G. Zuchtriegel), in dem es um die Ausgrabungen von Pompeji geht. Der Zauber, so der Autor, besteht darin, dass uns Ruinen daran erinnern, dass das Leben zerbrechlich ist und gerade deshalb schön und kostbar. Und das gilt, so scheint mir, für das Große, aber vielleicht noch mehr für das Kleine.
Besonders stark empfinde ich das immer bei Blumen. Besteht die Kostbarkeit frischer Blumen nicht gerade in der Tatsache, dass sie bald verblühen und welken? Ihre Schönheit ist ein Kind des Augenblicks und diesen Augenblick verlängern zu wollen, macht sie langweilig.
Sicher ist es ärgerlich, wenn der Blumenschmuck in der Kirche schon vor Beginn der Trauung etwas müde dreinschaut, aber deshalb künstliche Blumen verwenden? Als mir kürzlich jemand von so einem Fall erzählte, hat mich das irgendwie traurig gemacht.
Als Kinder unserer Zeit lassen wir uns nicht gern an die Endlichkeit aller Dinge erinnern. Im Gegenteil, man tut alles, um sie zu vergessen oder wenigstens zu kaschieren. Und wir wissen auch, dass das töricht ist und letztendlich auch nichts nutzt. Es erschwert und verhindert nur, dass wir die Gegenwart recht genießen.
Denn nur diese gegenwärtige Zeit steht mir zur Verfügung. Ich kann sie füllen und erfüllen mit dem, was mir gefällt. Ich darf sie verwalten, schenken und verschenken, wem ich will. Ich kann sie aber auch vorenthalten und entziehen, wenn es mir behagt. Es gibt wohl kaum einen Bereich, in dem wir so souverän sein können und dürfen, wie im Umgang mit unserer Zeit. Das Wissen darum, dass unsere Lebenszeit gestundet ist, vermehrt ihre Kostbarkeit.
Silja Walter drückt das in einem Gedicht so aus:
Der Augenblick ist wunderbar.
Es ist ganz rund, ganz fertig und er singt,
er muss sich nämlich nicht aushalten, wie wir uns aushalten müssen.
Wenn er ist, ist er auch schon vorüber.
So fließt er sich immer ruhig davon
die ganze Zeit.
Darum freut er sich und fließt und singt.
Wer sich eine stille Zeit lang hinsetzt und
In den Augenblick hineinhorcht, hört es:
Ich bin und bin und bin und bin, das ist
die erste Strophe, die er singt.