Ordensgemeinschaften in Deutschland

"Ich bin eine Mission - heute von Gott reden" - Viertes Jahrestreffen im Gesprächsprozess der Deutschen Bischofskonferenz

Als Vertreter der Ordensgemeinschaften nahm P. Dr. Ralf Huning SVD, Provinzial der Deutschen Provinz der Steyler Missionare, am Treffen des "Gesprächsprozesses" in Magdeburg teil. Orden.de dokumentiert seinen persönlichen Rückblick auf die Veranstaltung.

Vom 12. bis 13. September 2014 fand in Magdeburg das vierte Jahrestreffen des "Gesprächsprozesses" in der katholischen Kirche statt. 300 Teilnehmer diskutierten unter dem Leitwort "Ich bin eine Mission" (Zitat aus dem Apostolischen Schreiben von Papst Franziskus, "Evangelii gaudium") über die Frage, wie Verkündigung heute gelingen kann.
Dieser Gesprächsprozess war auf dem Höhepunkt der Missbrauchskrise im Herbst 2010 vom damaligen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, initiiert worden. In einem Hirtenwort hatten die Bischöfe im Jahr 2011 dazu erklärt, die Krise sei ein wichtiger Anlass, besser ins Gespräch zu kommen, doch die eigentlichen Fragen, um die es gehe, zielten weiter als auf die unmittelbare Krisenbewältigung. Letztlich gehe es um die Frage: "Was heißt es, im Heute zu glauben?" Die Bischöfe erklärten: "In mancherlei Hinsicht sind Krisenzeiten besondere Gnadenzeiten. Sie lenken den Blick auf das Wesentliche. Sie rufen zur Besinnung und zu neuer Entschiedenheit, gerade auch angesichts von Mutlosigkeit und Resignation. In Krisenzeiten wächst oftmals Neues, das vorher nicht im Blick war." Der auf fünf Jahre angelegte Gesprächsprozess solle wie ein gemeinsamer Exerzitienweg der ganzen deutschen Kirche sein, in dem es "um eine vertiefte Klärung und Vergewisserung in Bezug auf das Zeugnis der Kirche in der Welt und ihre Sendung zu den Menschen" gehe.

Als einer der Vertreter der Ordensgemeinschaften in der Deutschen Ordensobernkonferenz (DOK) nahm P. Dr. Ralf Huning SVD, Provinzial der Deutschen Provinz der Steyler Missionare, am vierten Jahrestreffen in Magdeburg teil. Orden.de dokumentiert seinen persönlichen Rückblick auf die Veranstaltung:


Ich habe, wie etwa ein Drittel der mehr als dreihundert Teilnehmer, zum ersten Mal an einem der Jahrestreffen teilgenommen. Umso dankbarer war ich, dass zu Beginn ausführlich auf den bisherigen Gesprächsprozess zurückgeblickt wurde. Ich selbst hatte von den bisherigen drei Jahrestreffen in der Kirchenpresse gelesen, von größeren Wirkungen oder Ergebnissen aber bisher nichts wahrgenommen. So ging es offensichtlich vielen. In meiner Gesprächsgruppe gebrauchte ein Teilnehmer deutliche Worte. Erzbischof Zollitsch habe mit seiner Initiative dem großen Glaubwürdigkeitsverlust der Kirche entgegenwirken wollen - die erschreckend hohe Zahl der Kirchenaustritte im vergangenen Jahr zeigten doch, dass dieses Ziel in keinster Weise erreicht wurde. Inzwischen treten sogar immer öfter Menschen aus der Kirche aus, die zu den aktiven Gemeindemitgliedern gehörten. Kommt der Gesprächsprozess zu spät, ist der Vertrauensverlust schon irreparabel?

Kardinal Marx stellte in seinem Eingangstatement doch einige positive Wirkungen des Gesprächsprozesses fest. An erster Stelle habe dadurch eine neue Gesprächskultur in unserer Kirche begonnen, ein neues Miteinander. Der Verlauf des Treffens in Magdeburg hat diese Aussage meiner Meinung nach wirklich bestätigt. Es war ein offenes Gespräch ohne Denkverbote, an dem sich die anwesenden Bischöfe gut beteiligten, ohne auf eine Sonderrolle zu pochen. Kardinal Marx betonte weiter den Rückenwind, den die Kirche durch Papst Franziskus erhalten habe. Dessen Warnung vor einer Kirche, die nur narzistisch um sich selbst kreist, dürfte nicht überhört werden. Franziskus verkünde keine neue Lehre, stelle alles aber in einen neuen Rahmen und gebe dadurch allem einen neuen Sinn. Im Hinblick auf die bisherigen Gesprächsforen sagte Marx, diese hätten noch keine unmittelbaren Ergebnisse hervorgerufen, aber doch wichtige Themen vorangebracht, an denen nun intensiv gearbeitet werde. Er nannte die Frage nach dem Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, das kirchlichen Arbeitsrecht und die Rolle der Frauen in der Kirche. Eine beträchtliche Zahl von Teilnehmern wollte dies so nicht stehen lassen, sondern verlangte nach konkreten Ergebnissen. Ein Exerzitienprozess der Kirche sei zu wenig, sie wollten Abstimmungen und Beschlüsse herbeiführen, damit sich wahrnehmbar etwas verändere. Immer wieder wurde das Thema einer Synode ins Spiel gebracht. Die Bischöfe machten noch einmal deutlich, dass die Jahrestreffen im Gesprächsprozess nicht dazu autorisiert seien, Beschlüsse zu fassen, man solle daher keine überzogenen Erwartungen haben. Dennoch bleibe das Miteinanderreden nicht folgenlos, die Bischöfe hätten schon sehr viele Anregungen aus dem bisherigen Prozess aufgenommen, aber alles brauche seine Zeit, man müsse gerade bei wichtigen Fragen Schritt für Schritt vorgehen. Auch auf Bistumsebene habe sich sehr viel getan (Synode in Trier, Zukunftsgespräch in Essen usw.).

In den zwei Tagen in Magdeburg wurde engagiert miteinander diskutiert. Ich habe sehr viele Anregungen und Fragen davon für mich mitgenommen und bin sehr dankbar, dass ich an dem Treffen teilnehmen durfte. Vorzeigbare Ergebnisse zum Thema der Weitergabe des Glaubens gab es nicht. Das mag an der verwendeten Methodik gelegen haben, an den Impulsfragen, an denen in Gruppen gearbeitet werden sollte, an der Schwierigkeit, mehr als 300 Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen. Ich hätte es für hilfreicher gehalten, wenn es bereits auf verschiedenen Ebenen Vorarbeiten zum Thema einer missionarischen Kirche gegeben hätte, aus denen dann mit pointiert formulierten, kurzen Impulsreferaten provokative Thesen in den Raum gestellt worden wären, an denen die Versammlung dann weitergearbeitet hätte. So wurde in den Gruppen doch viel zu oft Altbekanntes wiederholt. Die Forderung, die Gesprächsinhalte auf wenige Begriffe zu bringen, führte dazu, dass immer wieder das Gleiche zu hören war: Authentisch sein, den Leuten nahe kommen, auf ihre Lebenswirklichkeit hören, eine andere Sprache sprechen, nicht verurteilen usw. Alles sicher nicht falsch, aber in der Abschlussrunde machten einige treffend deutlich: Das wissen wir doch alles schon sehr lange. Die große Frage sei doch, woran es liege, dass das nicht umgesetzt werde, welche Widerstände es gebe.

Mir gefiel das Leitwort "Ich bin eine Mission", das aus dem Papstschreiben "Evangelii gaudium" entnommen war. Doch zeigte sich, dass dieses Leitwort dazu verführte, die Thematik einer missionarischen Kirche zu individualistisch zu betrachten und zu wenig politisch. Für mein Empfinden zu selten kam das Entscheidende zur Sprache: Gott hat eine Mission, er ist Mission und lädt uns ein, daran teilzuhaben. Ich glaube, wir meinen immer noch zu zu sehr, das Wichtigste an Mission seien unsere eigenen klugen Methoden und Überlegungen.

In der letzten Gesprächseinheit kamen wir in Gruppen zusammen, die entsprechend unserer jeweiligen Aufgabe in der Kirche gebildet waren. Wir sollten im Hinblick auf die Sendung "Mission zu sein" formulieren, was dazu von uns, in unserer "Rolle" besonders gefragt sei. In meiner Gruppen von Ordenschristen brachten wir unsere Überlegungen mit der Aussage auf den Punkt, wir Ordensleute sollten "keine Rolle spielen". Wir meinten dies in einem doppelten Sinn. Ordensleben ist Berufung, kein Erwerbsberuf. Und es ist keine Berufung zum Herrschen, sondern zum Dienen. "Keine Rolle zu spielen", bedeutungslos zu sein, ist unsere Mission in einer Welt, in der die Wichtigen, Klugen, Einflussreichen gefragt sind. Unsere Sendung ist darüber hinaus nur von der Gemeinschaft her zu verstehen. Wir sind berufen, einander zu helfen, die zu sein, die wir von Gott her sind, seine Kinder, bedingungslos geliebt und angenommen. So sollen auch wir selbst unseren Mitmenschen begegnen.*

Bischof Bode sagte am Ende des Jahrestreffens, er glaube, dass wir die Dinge in unserer Kirche noch nicht dramatisch genug ansprechen würden. Wir müssten noch konkreter werden. Viele Teilnehmer teilten diese Ansicht. Kardinal Marx bekräftigte, was noch an Dramatischem auf uns zukomme, könnten wir kaum erahnen. Er machte in seinem Schlusswort aber auch darauf aufmerksam, dass die Pädagogik Jesu gerade nicht gewesen sei, auf die Defizite der Menschen hinzuweisen, sondern auf ihre Ressourcen, auf das, was in ihnen möglich ist in der Kraft des Geistes. "Glaube nur, hab Vertrauen!" ermutigte Jesus die Menschen. - Wenn dies zur Leitperspekive für die künftige Lehrverkündigung der Kirche wird, dann hätte sich meiner Meinung schon sehr viel in der deutschen Kirche verändert.

Ralf Huning SVD



* Anm. d. Red.: Eine zweite Gesprächsrunde von Ordenschristen fasste den Auftrag, Mission zu sein - als Ordenschristen -, in folgender Zielformulierung zusammen: "Ordensleute gehen - aus der eigenen Christusbeziehung heraus - mutig, prophetisch und angstfrei unter der Führung des Heiligen Geistes auf die Menschen zu, auch auf die Menschen am Rande."