VALLENDAR Die Behandlung des Themas habe gezeigt, dass sich unter den Orden ein "Perspektivwechsel" vollziehe, sagte der soeben neugewählte Vorsitzende der DOK, Abt Hermann-Josef Kugler O.Praem., zum Abschluss der Tagung. "Der erste Blick gilt nun dem Opfer und den Angehörigen sowie dem Opferschutz."
In der Vergangenheit sei es oft darum gegangen, einen Täter vor angeblich falschen Verdächtigungen zu schützen beziehungsweise den guten Ruf einer Institution zu wahren. Kugler: "Die überarbeiteten Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz, die auch für den Ordensbereich adaptiert werden sollen, werden diesen Perspektivwechsel deutlich machen." Der Vorsitzende der DOK erneuerte die Entschuldigungsbitte an die Opfer, die der Vorstand bereits am 25. Februar 2010 ausgesprochen hatte.
Zuvor hatte der Trierer Bischof Dr. Stephan Ackermann als Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) über den Prozess der Überarbeitung der Leitlinien berichtet. Er unterstrich das gemeinsame Bemühen der Bischöfe und der Orden, die Missbrauchsproblematik im Sinne der Opfer aufzuarbeiten sowie Präventionskonzepte zu entwickeln und zügig umzusetzen.
Die Mitgliederversammlung stand unter dem Thema "Sexueller Missbrauch Minderjähriger - Schuld und Verantwortung". Der Theologe Paul Rheinbay SAC, Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar, wies darauf hin, Missbrauch sei direkt oder indirekt, subtil ausgeübte Macht im Raum des Vertrauens.
Die Missbrauchsbeauftragte der Jesuiten, Frau Ursula Raue, begrüßte, dass inzwischen für die verschiedenen Ordensgemeinschaften externe Ansprechpartner für Opfer sexuellen Missbrauchs benannt worden seien. Eine Verlängerung von Verjährungsfristen sah die Juristin kritisch, da eine präzise Erhebung des Tathergangs mit zunehmendem zeitlichen Abstand immer schwieriger werde. Dies berge die Gefahr, dass Strafprozesse scheitern und die Kläger erneut zu Opfern würden.
Die Psychologin Annette Haardt-Becker von der Kinderschutzorganisation "Innocence in Danger" rief dazu auf, Kinder stark zu machen und sie zu ermächtigen, im richtigen Moment nein zu sagen: "Es braucht eine Haltung, die den Kindern eine eigene Meinung zugesteht." Täter benutzten häufig intelligente Strategien, um sich Kinder gefügig zu machen, so Haardt-Becker. Sie rief die Orden zu einer Haltung der Aufmerksamkeit auf. Dies bedeute auch, Mitarbeiter zu schulen und das Fachwissen der Opferverbände zu nutzen.
Der Psychiater Manfred Lütz zeigte auf, warum Missbrauch durch Ordensleute und Priester von den Menschen als besonders verwerflich empfunden werde. Die Diskrepanz zwischen Sagen und Tun sei bei ihnen besonders groß. So zerbreche mit dem Missbrauch durch Geistliche bei vielen Opfern zusätzlich zu traumatisierenden Erfahrungen die Beziehung zu Gott. Den Vorwurf, eine rigide katholische Sexualmoral habe in der Vergangenheit sexuellen Missbrauch begünstigt, wies Lütz zurück. Missbrauchstäter "sind in der Lage, jedes Wertesystem für ihre Zwecke zu instrumentalisieren".
Bereits am Montag, hatten die Ordensoberinnen und -oberen den bisherigen stellvertretenden Vorsitzenden Abt Hermann-Josef Kugler O.Praem. mit großer Mehrheit zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt. Neue stellvertretende Vorsitzende ist die Provinzoberin der Steyler Missionarinnen, Schwestern Miriam Altenhofen SSpS. Die Mitgliederversammlung stimmte der Gründung einer Koordinierungskommission zwischen der Deutschen Bischofskonferenz und der Ordensobernkonferenz zu, die die Zusammenarbeit intensivieren soll.
Die Deutsche Ordensobernkonferenz (DOK) ist im Jahr 2006 aus dem Zusammenschluss von drei selbständigen Vereinigungen der Priester-, Schwestern- und Brüderorden entstanden. Sie vertritt die Interessen sämtlicher Ordensgemeinschaften in Deutschland mit rund 22.000 Ordensfrauen und rund 5.000 Ordensmännern.