Ordensgemeinschaften in Deutschland

Stellungnahme der DOK zur Bischofssynode "Jugend - Glaube - Berufung" 2018

Im Oktober 2018 findet die XV. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode statt. Sie steht unter dem Thema „Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungsunterscheidung“.

Im Oktober 2018 findet die XV. Ordentliche Generalversammlung der Bischofssynode statt. Sie steht unter dem Thema „Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungsunterscheidung“. Ähnlich wie zur Vorbereitung der Bischofssynode 2015 zur Familienthematik wurde von Papst Franziskus ein weltweiter Konsultationsprozess eingeleitet. Auch die Deutsche Ordensobernkonferenz hat sich daran beteiligt und Mitte Oktober eine Stellungnahme an den Generalsekretär der Synode, Lorenzo Kardinal Baldisseri übersandt. orden.de dokumentiert den Text.

A.   Einleitung

Das Vorbereitungsdokument zur XV. Ordentlichen Bischofssynode 2018 „Die Jugendlichen, der Glaube und die Berufungsunterscheidung“ spricht u. a. auch die Vereinigungen der Ordensobern an und fordert sie damit auf, sich am weltweiten Konsultationsprozess im Vorfeld der Synode zu beteiligen.

Gerne folgt die Deutsche Ordensobernkonferenz dieser Einladung, da zahlreiche Ordensgemeinschaften in Deutschland sich für Jugendliche und junge Erwachsene engagieren. So gehört es zum Charisma und zum Selbstverständnis vieler Gemeinschaften und ihrer Mitglieder, Wegbegleiter junger Menschen zu sein und ansprechbar zu bleiben für ihre Fragen und ihr Suchen. Dabei darf nicht verschwiegen werden, dass die meisten Ordensgemeinschaften in unserem Land unter Nachwuchsmangel leiden und einen zunehmend hohen Altersdurchschnitt ihrer Mitglieder verzeichnen. Dadurch sind Ordensgemeinschaften in der Situation, Einrichtungen aus der eigenen Trägerschaft zu entlassen und – dort wo möglich – in neue Verantwortlichkeiten zu übergeben. Auf der anderen Seite bietet die Begegnung von Alt und Jung die Chance eines vielfältigen, für beide Seiten fruchtbaren Austauschs von Erfahrungen, Ansichten und Einstellungen.

Da wir aufgrund des vielfältigen und unterschiedlichen Angebots der Orden in Deutschland keine verlässlichen bzw. allgemeinverbindlichen Antworten auf die einzelnen Fragen des Katalogs geben können, möchten wir lediglich einige Aspekte, die uns wichtig sind, herausstellen. Für ein Gesamtbild in Deutschland weisen wir ausdrücklich auch auf die Rückmeldungen der Deutschen Bischofskonferenz und anderer kirchlicher Institutionen in unserem Land hin.

B.   Vielfältiges Engagement der Orden in Deutschland

Trotz der genannten Alterssituation in zahlreichen Gemeinschaften engagieren sich Ordenschristen weiterhin in vielfacher Weise für Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland. So gehören geistliche Begleitung, das Engagement in der Berufungspastoral, die Begleitung von Firmgruppen, Jugendgruppen und die Jugendbegleitung im Rahmen der Pfarrseelsorge zu ständigen Aufgabenfeldern vieler Ordensleute. Manche Ordensgemeinschaften – z. B. Benediktiner, Pallottiner, Redemptoristen, Salesianer Don Boscos u. a. – unterhalten nach wie vor eigene Jugendbildungsstätten, die Orte der Kontaktaufnahme, aber auch Orte längerer Weggemeinschaft sein können. Nicht wenige Ordensleute in unserem Land kümmern sich um Jugendliche, die am Rand stehen und denen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben aus den unterschiedlichsten Gründen schwer fällt. Viele Gemeinschaften begegnen gerade jungen Menschen da, wo sie sich in einer Krisensituation befinden oder mit schlechten Ausgangsvoraussetzungen zu kämpfen haben. Hier leisten die Ordensgemeinschaften durch ihre Verfügbarkeit und in unaufdringlicher Treue wichtige Arbeit, um junge Menschen auf ihrem ganz persönlichen Weg zu begleiten.

In Deutschland unterhalten verschiedene Gemeinschaften auch eigene Hochschulen oder universitäre Einrichtungen, dabei tragen sie momentan Fakultäten folgender Disziplinen: Philosophie, Theologie, Pflegewissenschaft (Jesuiten, Kapuziner, Pallottiner, Franziskanerinnen, Steyler Missionare). An einigen Universitätsstandorten sind Ordensleute mit der Hochschulseelsorge betraut (Jesuiten, Dominikaner, Benediktiner etc.). Darüber hinaus sind eine Vielzahl von Schulen von Orden getragen oder wesentlich geprägt (z. B. Jesuiten, Salvatorianer, Dominikaner, Franziskanerinnen, Benediktiner, Redemptoristen und viele weitere Frauengemeinschaften unterschiedlicher Spiritualität). Hier wird in der Regel auch die Schulseelsorge von Ordensleuten übernommen. Ausbildungseinrichtungen werden bspw. in großem Stil von den Salesianern Don Boscos getragen. Darüber hinaus sind Ordensleute in weiteren Bereichen engagiert und präsent. Besonders hervorzuheben ist, dass Ordensgemeinschaften jungen Erwachsenen in vielfältiger Weise die Möglichkeit bieten, sich in der Jugendverbandsarbeit, in der Flüchtlingshilfe oder als Missionare auf Zeit und in anderen Freiwilligendiensten ehrenamtlich zu engagieren.

Das Gebet und das Eintreten vor Gott für andere gehört selbstverständlich auch zu den täglichen Diensten, die die Ordensleute jungen Menschen schenken. Dies ist gerade für Ordenschristen, die nicht mehr im aktiven Dienst stehen, eine Möglichkeit, die Anliegen junger Menschen aufzugreifen und vor Gott zu tragen. Damit setzen sie ein Zeichen, dass die Jugendlichen in ihrer Suche nach Sinn und Orientierung nicht allein gelassen sind.

C.   Situationsbeschreibung/-analyse

Versucht man die gegenwärtige Situation der Jugendlichen zu erfassen, mit denen Ordensgemeinschaften in Deutschland Kontakt haben, ist diese als sehr komplex zu beschreiben und von mehreren Faktoren abhängig.

1.    Gesellschaftliche Grundbedingungen für Identität

Zunächst sind die grundsätzlichen gesellschaftlichen Bedingungen des Erwachsenwerdens zu nennen. Globale Vernetzung und Pluralisierung tragen heute verstärkt zur Komplexität der Lebensbedingungen bei, bringen aber auch neue Wahlmöglichkeiten mit sich. Die individualisierte Ausbildung von Identität kann mit dem deutschen Sozialpsychologen Heiner Keupp als „Identitätskonstruktion“ bezeichnet werden. Dieser Begriff bringt zum Ausdruck, dass Identitäten, sei es beruflich, familiär oder religiös, nicht mehr sozial vorgegeben sind, sondern aktiv erarbeitet werden müssen. Eine Konsequenz dessen ist, dass Lebensentwürfe stark experimentell angelegt sind. Die Lebenserfahrung junger Menschen ist „fluide“. Veränderte Geschlechterrollen haben Einfluss auf Familien- und Berufsbilder, auch die Kontaktformen sozialer Netzwerke prägen mit ihren virtuellen und digitalen Möglichkeiten das Beziehungsverhalten. Die Etappe der Jugend wird häufig durch die ökonomische Situation, aber auch durch den Einfluss von Jugendkulturen verlängert. Das Bildungssystem entlässt einerseits junge Menschen immer früher in die Berufswelt, andererseits lässt sich eine Verlängerung der Jugendphase feststellen. Befristete Jobmöglichkeiten und projekthafte Berufsläufe führen u.a. auch zu einer späteren Bindung, sei es im familiären oder auch im religiösen Bereich. Freundschaft gehört seit Jahren stabil zum größten Wert für die junge Generation, auch der Wunsch nach Familie bleibt relativ konstant, während traditionelle Werte momentan sogar wieder wichtiger werden. Bindungen sind also keineswegs passé, zeigen sich aber häufig in neuen, ereignisgebundenen und oft zeitlich begrenzten Gemeinschaftsformen. Die soziale Schere zwischen Arm und Reich wird auch in Deutschland momentan immer größer. Kinderarmut wächst, psychische und körperliche Verwahrlosung treffen immer mehr Kinder und Jugendliche.

2.    Kirche, Religion und Glaube

Für viele junge Menschen ist die Kirche eine Welt, die kaum mit ihren Lebenswelten korreliert. Sinnsuche wird als stark individualisiert und losgelöst von kirchlichen Institutionen wahrgenommen. Gerade der Glaube an einen persönlichen Gott geht bei deutschen, christlich geprägten Jugendlichen im Vergleich zu muslimischen stark zurück. Religion ist keine Größe, die den Alltag wesentlich prägt. Für andere führt gerade die Erfahrung der großen Komplexität von Lebensbereichen und Pluralität von Deuteangeboten dazu, in der Religion einen Zufluchtsort zu finden. Einige junge Menschen, wenn auch sicher eine Minderheit, suchen auch in Kirche, Orden oder anderen religiösen Gemeinschaften Heimat und Orientierung. Die Schutzfunktion des Glaubens, die eine große Ressource darstellt, führt dann u. U. zu einer Art Verkapselung, wenn sie eine Mentalität der Abschottung oder Ideologisierung begünstigt.

3.    Zeit

Die Art und Weise, wie Jugendliche und junge Erwachsene in Deutschland mit ihrer Zeit umgehen, hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Einflussreiche Faktoren sind dabei z.B. die Einführung des achtjährigen Gymnasiums sowie die europaweite Bologna-Reform an den Universitäten. Die freien Zeitfenster, in denen Jugendliche und junge Erwachsene ansprechbar für religiöse Angebote sind, sind knapp bemessen. Die Terminkalender sind neben den Pflichtveranstaltungen in Schule und Uni gefüllt mit Sport, Musik und anderem. Jugendliche, die das Gymnasium besuchen und anschließend studieren, sind jünger als jemals zuvor, wenn sie einen Großteil ihrer Ausbildung abgeschlossen haben. Und zusätzlich buhlen viele andere Anbieter um ihre Aufmerksamkeit, die nicht zuletzt auf dem Feld der sozialen Medien eine hohe Attraktivität entfalten. Diese Tatsachen wahrzunehmen ist für die Jugend- und Berufungspastoral unverzichtbar.

D.   Theologische Deutungen

Die sich verändernde Art und Weise, wie Jugendliche Bindung leben und Beziehungen gestalten, muss auch die theologische Reflexion auf das, was in diesem Kontext Berufung heißen kann, leiten. Das Vorbereitungsdokument zur Jugendsynode spricht von der grundlegenden „Berufung zur Liebe und zum Leben in Fülle“. Dies bedeutet zweierlei: dass jeder Mensch von Gott immer schon vorbehaltlos und unbedingt angenommen ist und dass diese befreiende Zusage selbst Liebe als Antwort hervorbringen will. „Berufung zur Liebe“ ist Berufung des einzelnen zu einem Leben in lebendiger Beziehung mit Gott und der Welt, die – wenn sie in Freiheit auf den Ruf Gottes antwortet – Frieden und Freude beschert. Damit ist Berufung eine theologisch-anthropologische Grundkategorie, die weit vor allen Erörterungen über Lebensformen und Stände liegt.

Die Berufung zur Liebe lässt sich konkreter fassen, wenn sie in den Resonanzraum gestellt wird, den die drei evangelischen Räte, wie sie zunächst für Ordenschristen spezifisch sind, eröffnen. Mit Johann Baptist Metz lassen sich die drei evangelischen Räte auch als evangelische Tugenden oder als Einweisungen und Wege in die Nachfolge Jesu, zu der jeder berufen ist, verstehen. So verstanden richten sich die drei Räte an alle Christen gleich welcher Lebensform und beziehen sich auf anthropologische Existentiale eines jeden Menschen:

  • Keuschheit: Wie gehe ich angemessen und maßvoll mit meinen kreatürlich-schöpferischen Kräften um? Wozu nutze ich sie?
  • Armut: Wie und wozu nutze ich die mir zur Verfügung stehenden natürlichen und menschlichen Ressourcen? Wie pflege ich sie? Was benötige ich für ein „Leben in Fülle“?
  • Gehorsam: Wonach richte ich mein Handeln aus? Welchem Ruf aus dem Klangteppich vielstimmiger An-sprüche folge ich mit meiner Ver-antwortung?

Ohne diese Gesichtspunkte an dieser Stelle vertiefend erörtern zu können, ist festzuhalten: Die hier mehr unter dem Aspekt der Frage, denn als fertige Antworten betrachteten evangelischen Räte können gerade angesichts des experimentellen Charakters heutiger Lebensentwürfe (s.o.) Impulsgeber für die Entdeckung der eigenen „Berufung zur Liebe“ sein. Weil Ordensleute um ein Leben mit diesen Tugenden täglich ringen, können sie in besonderer Weise Vermittler und Vorbilder bei der Suche nach diesem Schatz christlicher Tradition und Begleiter von Jugendlichen und jungen Erwachsene sein, ihre Berufung zu finden und diese in ihren Lebensentscheidungen konkret werden zu lassen. Insofern ist Jugend- und Berufungspastoral immer auch als „Communio auf dem Weg“ zu verstehen.

Wie pädagogische Begleitung darauf abzielen muss, den jungen Menschen in die Selbständigkeit und Selbstverantwortung zu entlassen, so hat auch die pastorale und geistliche Begleitung Jugendlicher (und auch Erwachsener) die „Selbstwerdung im religiösen Verhältnis“ (Klaus Mertes) zum Ziel. Jugend- und Berufungspastoral münden daher in der religiösen Freiheit des ihr anvertrauten Menschen. Nur jeder Einzelne – nicht der Begleiter – kann für sich auf den Anruf Gottes antworten. Dies ist vor dem Hintergrund mancher Formen des Machtmissbrauchs durch Begleiter (namentlich sexueller und geistlicher Missbrauch) in besonderer Weise zu beachten.

E.    Pastorale Herausforderungen

Aus dem bisher Gesagten ergibt sich eine Reihe von Herausforderungen für die Jugendpastoral in Deutschland, die auch die Ordensgemeinschaften betreffen.

1.    Doppelte jugendpastorale Aufgabe der Orden

Die Trennung von „Jugendpastoral“ und „Berufungspastoral“ wird zunehmend unscharf. Dies ist nicht zwingend als problematisch einzustufen, sondern ist vielmehr Ausdruck dafür, dass die Ordensberufung der Berufung zum Menschsein und zum Christsein nachgeordnet bzw. eng mit ihr verbunden ist und einer langen Zeit bedarf, um sich zu entfalten. Jugendliche dazu zu befähigen, ihre „Berufung zur Liebe und zum Leben in Fülle“ (Vorbereitungspapier) zu finden, die sich im Entwurf des Ordenslebens, aber auch in anderen Lebensentwürfen in Gesellschaft und Kirche konkretisieren kann, bedarf eines vielfältigen Angebots. So kommt der Jugendpastoral der Orden eine doppelte Aufgabe zu: Sie steht im Dienst an allen Jugendlichen und jungen Erwachsenen an den Lebenspunkten, an denen sie stehen. Zugleich repräsentiert sie die ganze Bandbreite spezifisch christlicher Charismen und Berufungen und vermag mit ihrem professionellen Personal und Formaten in der konkreten Situation der Entscheidungsfindung eine besondere Hilfestellung zu leisten.

2.    Öffnung für sozial Schwächere als kirchliche Subjekte

Die Kirchen in Deutschland, auch ihre Jugendarbeit, werden zum größten Teil aus der bürgerlichen Mitte getragen und finden weniger leicht den Zugang zu den sozial schwachen und benachteiligten Jugendlichen. Zwar gibt es caritative Angebote. Um aber dem Auftrag gerecht zu werden, sich allen jungen Menschen gleichermaßen zuzuwenden und ihnen eine Beteiligung am pastoralen Leben zu ermöglichen, ist die Arbeit mit benachteiligten Jugendlichen in Deutschland weiter auszubauen. Es gibt, gerade im Bereich der Orden, einige ermutigende Initiativen. So spielen einzelne Orden eine wichtige Rolle als originäre Träger von Einrichtungen der Jugendhilfe. Als solche haben sie Zugang und Kontakt zu den sozial Benachteiligten und erfüllen den wesentlichen Auftrag von Jugendpastoral: die Begleitung zu einem Leben in Fülle. Auf breiterem Gebiet ist eine Pastoral zukünftig weiterhin zu fördern und darf nicht aus dem Blick verloren werden, die es auch sozial benachteiligten Jugendlichen ermöglicht bzw. sie dazu befähigt, nicht nur Ziel kirchlicher Fürsorge zu sein, sondern Subjekte kirchlichen Lebens.

3.    Bindungs- und Gemeinschaftsformen

Der Umgang mit einer Kultur projekthafter Bindung und projektgebundenen Engagements stellt eine Chance gleichwie eine Herausforderung dar. Ordensspezifische und dem jeweiligen Charisma entsprechende Aktivitäten, wie „Kloster auf Zeit“, „Missionar auf Zeit“, die Gestaltung geprägter Zeiten oder sozialer Initiativen leben davon, dass junge Menschen eine Zeit ihres Lebens dafür investieren und prägende Erfahrungen sammeln. Zugleich sind die Ordensgemeinschaften darauf angewiesen, dass junge Menschen auch zu ihnen kommen, um zu bleiben und dauerhaft mitzugestalten.

4.    Digitale und technische Revolution

In der theologischen Reflexion und in der pastoralen Praxis gewinnt zunehmend die Tatsache an Bedeutung, dass sich angesichts der rasanten digitalen und technischen Entwicklungen auch das Weltverständnis und das Menschenbild verändern. Jugendliche und junge Erwachsene, die als „digital natives“ in intensiver Weise und selbstverständlich mit den neuen Wirklichkeiten aufwachsen, brauchen Orientierungshilfen, um ihre eigene Würde und die eines jeden Menschen erkennen und annehmen zu können. Hier ist ein gemeinsames Suchen, wie dies geschehen kann, unseres Erachtens notwendig.

5.    Relevanzfrage

Die größte Herausforderung liegt sicherlich darin, dass in der Breite der Gesellschaft religiöse Lebensentwürfe kaum mehr plausibel erscheinen. Glaube zieht sich in Milieus zurück und fristet ein „Nischendasein“. Es bestehen wenige Verknüpfungen zwischen Alltag und „Sonntag“ (religiösem Leben), wenig pastorale Anknüpfungspunkte an jugendliche Lebens- und Sprachwelten. Wie auf den Relevanzverlust des Christlichen zu reagieren ist, ist die Frage, die im Hinblick auf die junge Generation besonders deutlich wird.

6.    Zeit geben

Die äußerlich induzierte Verknappung von Zeit in einer Lebensphase, in der so Vieles, Wichtiges sich entwickeln kann und entwickeln darf, stellt eine Herausforderung für die Begleitung junger Menschen dar. Trotz offensichtlicher Personalnot halten Ordensgemeinschaften bis heute daran fest, dass junge Ordensmitglieder Zeit für ihre Ausbildung und Formung benötigen, um gut in die neue Lebensform hineinzuwachsen. Deswegen können gerade Ordensleute Anwälte einer Wiedergewinnung der Lebenszeit sein, in der ein junger Mensch heranreifen darf. Das bedeutet zunächst, durch Präsenz vor Ort und durch Angebote junge Erwachsene dazu zu ermutigen, sich Zeit für ‚ihre‘ Jugendzeit zu nehmen. Und es kann implizieren, auf bildungs- und jugendpolitischer wie kirchenpolitischer Ebene für die Entschleunigung der Jugendzeit zu agieren.

7.    Anpassung der Formation an ungleichzeitige Eintrittsvoraussetzungen

Viele Interessenten am Ordensweg kommen heute mit einer abgeschlossenen Ausbildung und nach einiger Zeit der Berufstätigkeit, andere treffen ihre Entscheidung während des Studiums, die wenigsten direkt nach dem Schulabschluss. Das Eintrittsalter verlagert sich tendenziell nach hinten, und durch ordensinterne Formationszeiten wird die Phase der Ausbildung zusätzlich in die Länge gezogen. Mit dem Moment der offiziellen Bindung erhalten sie andererseits häufig vielfältige Verantwortung, da in kleiner werdenden Gemeinschaften die personellen Ressourcen knapp sind. Diese Ungleichzeitigkeiten in der Entwicklung gehen mit langen und sehr individualisierten Berufungswegen einher. Von den Postulantinnen und Postulanten sowie Novizen und Novizinnen sind einige kirchlich sozialisiert, andere kommen nach einem konversiven Prozess mit sehr divergierenden Vor-aussetzungen im theologischen Wissen und in der religiösen und rituellen Praxis. Für die Formation stellt dies neue Anforderungen. Es gilt, Räume für zunehmend unterschiedliche Altersgruppen und biografische Wege zu eröffnen.

F.    Schlussbemerkungen

Diese Überlegungen können keine umfassende Analyse und Problemanzeige bieten, schon gar nicht sind sie ein geschlossenes Konzept für eine zukünftige Jugend- und Berufungspastoral. Sie wollen lediglich einige Aspekte aufzeigen, die aus unserer Sicht und aus unseren Erfahrungen heraus hierfür von Bedeutung sind. Die Deutsche Ordensobernkonferenz ist froh und dankbar dafür, dass sich die Bischofssynode auf der Grundlage eines weltumspannenden Konsultationsprozesses den Jugendlichen von heute zuwendet. Denn sie sind die Zukunft und die Hoffnung der Welt, die sich in einem historisch einzigartigen Wandlungsprozess befindet. Die junge Generation hat es verdient und auch ein Recht darauf, dass ihre Ideen und Ideale, ihre Kritik und ihr Gestaltungswille, aber auch ihre Sorgen und Nöte Gehör finden und dass die Kirche jungen Menschen dabei hilft, ihre „Berufung zur Liebe“ zu entdecken und ihr zu folgen. Als Ordenschristen wollen wir uns nach unseren Kräften an diesem Werk auch weiterhin beteiligen.