Stolpert man in Recklinghausen zufällig über das „Gasthaus“ im Herzen der Stadt, bietet es zunächst einen ungewöhnlichen Anblick: Löffel über Löffel hängen an einer breiten, orangefarbenen Wand vor dem Eingang. Seit 40 Jahren betreuen Ordensschwestern und -brüder aus verschiedenen Ordensgemeinschaften in Kooperation mit der örtlichen Pfarrgemeinde das Gasthaus und die Gastkirche; die Türen sind immer geöffnet für Menschen, denen es aus den verschiedensten Gründen nicht gut geht: Obdachlose, Flüchtlinge, Senioren am Existenzminimum, Alleinerziehende in Not, Suchtkranke. Und die Löffel am Eingang? Die stehen für den offenen Tisch, der dort seit über 600 Jahren existiert – damit „niemand die Suppe allein auslöffeln muss.“ Und die Angebote – Beratung für Ort, Frühstück und Mittagessen, Wasch- und Duschmöglichkeiten, ärztliche Untersuchungen und Beratungen, Kleiderkammer und Gastzimmer – werden dankbar angenommen.
Der Begriff der „Citypastoral“ ist ein modernes Wort, beschreibt aber eigentlich eine alte Tatsache: schon lange sind Kirchen und Seelsorgezentren in den Zentren von großen Städten zu finden – das gilt für Pfarrgemeinden wie für Klöster. Der grundlegende Gedanke: Kirche kann die Menschen dort erreichen, wo sie leben – nicht nur räumlich, sondern auch in ihrem Alltag. Offene Kirchen in der Stadt bieten heute viele Gelegenheiten zu Begegnung und (religiöser) Einkehr: Gesprächs- und Beichtmöglichkeiten, Abendveranstaltungen, Fortbildungen, Angebote für Menschen, die sich von kirchlichen Strukturen nicht angesprochen fühlen und doch nach dem Sinn des Lebens fragen und natürlich die Möglichkeit zu Eucharistiefeiern und anderen Gottesdiensten mitten am Tag.
Manch eine Ordensgemeinschaft macht solche Angebote. So sind Stätten der Spiritualität und der Begegnung entstanden. Darüber hinaus stehen häufig jene Menschen in den Städten im Fokus, die von der Mehrheit der Gesellschaft kaum beachtet werden: So öffnen – wie das Gasthaus in Recklinghausen – auch viele andere Klöster in Städten ihre Türen für Wohnungs- und Obdachlose und bieten ihnen Mahlzeiten und den Zugang zu sanitären Einrichtungen an. Der „Franziskustreff“ der Kapuziner in Frankfurt am Main bietet auch Sozialberatungen an. Auch die Missionsärztlichen Schwestern haben es sich in ihren Niederlassungen in verschiedenen deutschen Großstädten besonders zur Aufgabe gemacht, da präsent und für andere da zu sein, wo sie selbst leben.
In Recklinghausen ist aus alldem sogar auch die Arbeit mit Strafgefangenen erwachsen. Neben kulturellen Angeboten ist das Gasthaus einmal im Jahr zudem Ziel der NRW-weiten Obdachlosenwallfahrt. Die Corona-Pandemie hat auch vor dem Gasthaus nicht haltgemacht: Wie in vielen Seelsorge- und Citypastoralzentren mussten viele Veranstaltungen entfallen. Das Haus und die Kirche waren und sind aber geöffnet.
Es finden sich derzeit 17 städtische Seelsorgezentren auf der geistlichen Landkarte auf orden.de.