Ordensgemeinschaften in Deutschland

#synodenblog: Aus Deutschland nichts Neues?! - von Pater Johannes Kaufmann SDB

Hier wären wir Christen gefragt - als Wegweiser, nicht als Antwortgeber: Einen Weg zur Quelle, zur Frohen Botschaft, zum wahren Menschsein weisen. Und hier liegt unsere Not, dass wir den Weg oftmals selber nicht mehr kennen.

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Aus Deutschland nichts Neues?! - Dieser Satz kam mir spontan in den Sinn, als ich den vierminütigen Redebeitrag vor der Bischofssynode von Thomas Andonie (BDKJ Bundesvorstand und Auditor bei der Jugendsynode) las.

"Sexualisierte Gewalt durch Kleriker, Rolle der Frau, die Sexualmoral der Kirche und die Begleitung junger Menschen"(1)  waren die Themen. Dies sind ohne Zweifel wichtige Themen, denen sich die Jugendsynode zu Recht stellen sollte. Aber sind dies die Themen der jungen Menschen in Deutschland? Sind dies nicht - die sexuelle Gewalt ausgenommen - eher die binnenkirchlichen Themen, die einen kleinen Kreis von Engagierten und Involvierten beschäftigen, aber für die große Mehrheit der jungen Menschen eigentlich nicht relevant sind? Rühren wir hier nicht wieder in unserer eigenen kirchlichen Suppe herum und sind unfähig die Welt und ihre Fragen anzuhören?

Aus meiner Erfahrung als Salesianer Don Boscos, der mit jungen Menschen sowohl am Rande unserer Gesellschaft wie auch mittendrin unterwegs war und ist, glaube ich, dass wir uns trauen sollten, durchaus andere Themen anzusprechen.

In unserer Umfrage "Mach mit - junge Menschen gefragt" ist die Familie das, was den jungen Menschen mit Abstand am wichtigsten ist und sie somit auch beschäftigt. Was bedeutet diese Aussage, wenn fast die Hälfte aller Ehen in Deutschland zerbrechen, ein Großteil im Streit? Was bedeutet dies zu einer Zeit, in der 95 582(2)  Kinder und Jugendliche in Heimen und betreuten Wohngruppen aufwachsen? Diese Frage erreicht uns nur indirekt, weil die Gesellschaft und auch die jungen Menschen von uns hier nichts Neues, außer den alten Antworten einer vergangenen Zeit erwarten. Gefragt sind wir jedoch umso mehr, hier von der frohen Botschaft ausgehend im Dialog um Antworten zu ringen.

Weihbischof Johannes Wübbe (Osnabrück) verweist in seinem Redebeitrag vor der Jugendsynode zu Recht auch auf die große Not junger Menschen in Deutschland (Fast 6% der jungen Menschen beenden die Schullaufbahn ohne Abschluss(3), mehr als 2 Millionen unter 18-Jährige leben in Harz-IV-Haushalten(4)). Hier sind Kirche und gerade die Ordensgemeinschaften neben dem von ihm zitierten Projekt der Manege  in Berlin-Marzahn in vielen Projekten präsent. Dies ist gut und ist Ausdruck unserer christlichen Identität. Ist es jedoch genug?

Aggressiv machen mich so erwartbare Beiträge aus der deutschen Kirche, weil sie eine große Not unserer jungen Menschen in Deutschland übersehen und eine Schwäche unserer Kirche ausblenden. Sie übersehen den Mangel an authentischen Vorbildern und Begleitern, die Orientierung und Entscheidungshilfen in dieser doch so komplexen Welt geben können. Begleiter, die die jungen Menschen befähigen, ihre Lebensentscheidungen zu fällen, Vorbilder, die den Weg zur Quelle führen und nicht das abgefüllte Wasser aus dem Discounter weitergeben. Mich macht es aggressiv, dass wir den Schrei der jungen Menschen nicht hören. Den Schrei nach Sinn und Orientierung angesichts der Fragen nach Migration, Ausbeutung und Digitalisierung, nach Klimawandel, Umweltzerstörung und Gerechtigkeit in dieser Welt.

Hier wären wir Christen gefragt - als Wegweiser, nicht als Antwortgeber. Als Wegweiser, die einen Weg zur Quelle, zur Frohen Botschaft, zum wahren Menschsein weisen. Und hier liegt unsere Not, unsere Hilflosigkeit, dass wir den Weg oftmals selber nicht mehr kennen. Hier liegt das Thema, daswir als Kirche aus Deutschland einbringen sollten. Nämlich, dass wir nicht mehr wissen, wie wir im Heute, in der säkularisierten globalen Welt, junge Menschen nicht nur strukturell beteiligen, sondern sie in die Begegnung mit Jesus Christus führen können; dass wir nicht mehr wissen, wie wir jungen Menschen am Rande nicht nur soziale Hilfe gewähren, sondern sie mit der heilenden Liebe Gottes in Berührung bringen und sie fähig machen, als freie Menschen auf dieses Angebot Gottes zu antworten.

Ich wünsche mir, dass die Jugendsynode uns hier Anregungen gibt, dass wir als Kirche in Deutschland - und auch der BDKJ - den Mut haben, uns diesem Thema zu öffnen, das in anderen Regionen dieser Welt viel offener diskutiert wird, wie die Vielfalt der Redebeiträge deutlich macht.



(1) https://www.bdkj.de/aktuelles/artikel/jugendsynode-thomas-andonie-spricht-vor-papst-und-bischoefen/).
(2) 2018 - Spiegel Online aus Bundesamt für Statistik -  www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/heimkinder-zahl-in-deutschland-waechst-seit-jahren-stark-an-a-1207610.html.
(3) 2017- Caritas Bildungsstudie - https://www.caritas.de/fuerprofis/fachthemen/kinderundjugendliche/bildungschancen/zahl-der-schulabgaenger-ohne-abschluss-s.
(4) 2018- FAZ - http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/arm-und-reich/kinderarmut-zwei-millionen-kinder-in-hartz-iv-familien-15799021.html.
  https://www.manege-berlin.de/ - getragen von den Salesianern Don Boscos und den Schwestern der hl. Maria Magdalena Postel.

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Dieser Blog-Beitrag wurde am 9. Oktober um 16.15 Uhr aktualisiert. Blogbeiträge sind Meinungsbeiträge des jeweiligen Autors und spiegeln nicht in jedem Fall die Auffassung der Deutschen Ordensobernkonferenz wieder.