Heute hat die Arbeitsgruppe Justiz des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch“ der Bundesregierung zum Thema „Anerkennung des Leids der Opfer sexuellen Missbrauchs“ getagt. Da eine Regelung auf der Grundlage der Arbeit des Runden Tisches der Bundesregierung noch nicht absehbar ist und deshalb keine zeitliche Perspektive besteht, dass man den Opfern sexuellen Missbrauchs im Rahmen einer gemeinsamen Lösung helfen wird, sieht sich die katholische Kirche in der Verpflichtung, schon jetzt eine möglichst schnelle und unbürokratische Hilfe anzubieten. Wir verstehen die wachsende Ungeduld der Betroffenen.
Bereits am 30. September 2010 haben die Deutsche Bischofskonferenz und die Deutsche Ordensobernkonferenz als bisher einzige betroffene Institutionen dem Runden Tisch ein gemeinsam entwickeltes Leistungsmodell vorgestellt. Es ist in der Zwischenzeit präzisiert worden und kann jetzt zügig umgesetzt werden. So sehr die katholische Kirche an einer gesamtgesellschaftlichen Lösung interessiert ist, so sehr sieht sie sich jetzt in der Verpflichtung, in Fällen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger materielle Leistungen zu erbringen, bei denen eine Schmerzensgeld- oder eine Schadensersatzleistung aufgrund von eingetretener Verjährung rechtlich nicht mehr durchsetzbar ist.
Wir bedauern, dass bisher keine gemeinsame zeitnahe Lösung am Runden Tisch möglich war. Unsere jetzige Vorgehensweise bedeutet jedoch keine Absage an möglicherweise vom Runden Tisch noch zu entwickelnde Lösungen. Gegen eine Beteiligung der katholischen Kirche an einem später einmal möglichen Fonds für Therapiekosten spricht jedoch, dass die Übernahme von Kosten für Therapien und Paartherapien in unserem Bereich bereits unabhängig von dem vorgelegten Modell und nun nochmals verstärkt gegeben ist. Therapiekosten werden seit geraumer Zeit durch Bistümer und Orden übernommen. Mit dem Leistungspapier wird eine klar geregelte Kostenübernahme für Therapien, einschließlich Paartherapien, zugesagt, soweit diese von den Krankenkassen nicht getragen werden.
Darüber hinaus soll eine materielle Anerkennung von bis zu € 5.000 geleistet werden. In besonders schweren Fällen sind andere oder zusätzliche Leistungen möglich.
Ab dem 10. März 2011 können sich Personen, die minderjährig Opfer sexuellen Missbrauchs durch Kleriker, Ordensangehörige oder andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst geworden sind, an die jeweiligen Missbrauchsbeauftragten des Bistums oder des Ordens wenden, in deren Verantwortung der Täter zum Zeitpunkt der Tat tätig war. Der zuständige Missbrauchsbeauftragte hält entsprechende Antragsformulare vor. Bei Bedarf leistet er bei der Antragstellung Hilfe. Er leitet die Unterlagen an eine Zentrale Koordinierungsstelle weiter, die mit Psychologen, Juristen und Theologen besetzt ist. Diese prüft, ob die Voraussetzungen für materielle Leistungen erfüllt sind, und gibt eine Empfehlung an die betroffene kirchliche Körperschaft. Die materiellen Leistungen werden dann dezentral, das heißt von den betroffenen Bistümern oder Ordensgemeinschaften direkt erbracht.
Neben der Übernahme von Therapiekosten und den einmaligen Leistungen werden die Deutsche Bischofskonferenz und die Deutsche Ordensobernkonferenz zur Förderung von Präventionsprojekten innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche einen Präventionsfonds einrichten, der mit einem Kapital in Höhe von € 500.000 ausgestattet ist. Eine Projektstelle entscheidet über eingehende Förderanträge. Sollte sich der Runde Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch“ für den Bereich der Prävention auf einen Fonds einigen, ist die katholische Kirche bereit, Gelder auch dort einzubringen.
Die Zentrale Koordinierungsstelle und die Projektstelle für den Präventionsfonds sind beim „Büro für Fragen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger im kirchlichen Bereich“ der Deutschen Bischofskonferenz angesiedelt.
Grundsätzlich haben alle vier Komponenten unseres Leistungspakets (Präventionsfonds, Erstattung von Kosten für Therapien oder Paartherapien, materielle Anerkennung des Leids in Form einer einmaligen Zahlung, Regelung in besonders schweren Fällen) das Ziel, zur Heilung beizutragen. Materielle und immaterielle Hilfen bringen zum Ausdruck, dass die Kirche das Leid und die Verwundungen anerkennt, die Opfern zugefügt wurden. Ausgangspunkt und Maßstab sind deshalb die konkreten Bedürfnisse der Betroffenen, deren Traumatisierung soweit wie möglich behoben und in Bezug auf ihre Folgen gemildert werden soll. Eine derartige Leistung soll zunächst der Täter persönlich erbringen. Hilfsweise wird sie von der betroffenen kirchlichen Körperschaft gewährt, sofern der Täter nicht mehr belangt werden kann, nicht freiwillig leistet oder nicht leisten kann.
Wir hoffen sehr, dass unser Hilfeplan als Ausdruck unserer ernstlichen und aufrichtigen Mitsorge für Menschen Anerkennung findet, die durch kirchliche Mitarbeiter verletzt wurden. Dafür wollen wir diese Geste anbieten.