Ordensgemeinschaften in Deutschland

Missionsköpfe: Sr. Maria Goetzens MMS

Nicht als Missionarin in einem weit entfernten Land, sondern direkt vor der eigenen Haustür in Frankfurt versorgt Sr. Maria Goetzens MMS seit über 25 Jahren obdachlose Patienten...

Missionsköpfe - das sind Ordensfrauen und Ordensmänner, die mit ihrem Leben und ihrem Tun für ein modernes Missionsverständnis stehen, etwa im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils, auch wenn sie zum Teil schon vor dem Konzil gelebt und gewirkt haben. Anlässlich des außerordentlichen Monats der Weltmission im Oktober 2019 und dem damit verbundenen Themenschwerpunk "Mission" auf orden.de im 2. Halbjahr 2019 werden hier und im Themenbereich Mission einige von ihnen exemplarisch portraitiert. 

Sr. Dr. Maria Goetzens trat 1983 mit 24 Jahren in die Ordensgemeinschaft der Missionsärztlichen Schwestern ein. Seit über 25 Jahren arbeitet sie als Ärztin in der Elisabeth-Straßenambulanz (ESA) des Caritasverbandes Frankfurt, deren Hauptaufgabe es ist, kranke und obdachlose Menschen in Wohnungsnot zu versorgen.

„Wenn du wirklich liebst…“, so meditiert die Ordensgründerin der Missionsärztlichen Schwestern (MMS), Dr. Anna Dengel. Dieser Text hängt im Behandlungszimmer der ESA. Anna Dengels Wort trifft noch heute mein Herz. Wie sie nehme ich die Menschen in den Blick, die keinen Zugang zur medizinischen Versorgung haben. Damals waren es muslimische Frauen in heutigen Pakistan. Heute sind es Frauen wie Irena. Sie wurde nach einer Vergewaltigung aus dem Auto gestoßen. Die vom Leben mit Gewalt gezeichnete junge Ungarin wurde in die Straßenambulanz gebracht, weil sie obdachlos und nicht krankenversichert ist. Niemand ist nach der Erstversorgung mehr zuständig, da keiner zahlt!

Als ich 1983 mit 24 Jahren in die Ordensgemeinschaft der Missionsärztlichen Schwestern eintrat, wollte ich wie Anna Dengel mein Leben als Ärztin mit „Feuer und Flamme“ in die Nachfolge Jesu stellen. Zuvor hatte ich ein Praktikum bei den MMS auf den Philippinen absolviert, sehr zur Verwunderung meiner Familie. Denn bis dahin dachte ich nicht daran, „Missionarin“ oder Ordensfrau zu werden. Beides war mir fremd. Ich wollte „nur“ die Welt „verbessern“.  In der Begegnung mit den Schwestern merkte ich, dass sie anders „ticken“. Neu war für mich der Blick auf Jesus, den „verwundeten Heiler“. Ich spürte, dass ein Leben in seiner Nachfolge unweigerlich zu den „Brennpunkten“ des Lebens führt, auch im eigenen Leben! Nach 36 Jahren Ordensleben weiß ich: Die Auseinandersetzung mit der eigenen Heilungsbedürftigkeit, die Versöhnung mit den Verletzungen, sind wichtige Schritte auf meinem Lebens- und Glaubensweg als MMS.

Irenas Tränen berühren mich. Sie erinnern mich, dass der „Gott des Lebens“ sich auch offenbart in Verwundung, Leid und Schmerz, in Ohnmacht und Hilflosigkeit. So wollen diese schmerzlichen Situationen auf jenen Punkt hin „angeschaut“ werden, bis wir einen Hauch von diesem Gott verspüren, der Heilung, Ganzheit und Gerechtigkeit für alle verheißt. Ich freue mich, Teil einer weltweiten, internationalen, missionarischen Gemeinschaft zu sein und gemeinsam mit drei Mitschwestern in der ESA zu arbeiten. Die konkrete Erfahrung gelebter Glaubens- und Gebetsgemeinschaft in der Kommunität und mit den vielen, die mit uns auf dem Weg der „Spiritualität der Heilung“ unterwegs sind, nähren mich. Viele Nationalitäten sind in meinem Ambulanzalltag vertreten. Die Begegnung mit Irena zeigt mir, dass wir in einer globalisierten Welt herausgefordert sind, unsere Mission global zu verstehen. Das bedeutet, als Gemeinschaft eine gemeinsame Antwort zu finden, die weltweit in unterschiedlicher Weise zu Heilung, Gerechtigkeit und Frieden beitragen kann. Unsere Mission, eine „heilende Präsenz am Herzen einer verwundeten Welt“ zu leben (Konstitution) hat mich in die Großstadt Frankfurt geführt, nicht ins ferne Afrika, wie ich früher dachte. In Frankfurt lebe und arbeite ich mitten im Zentrum der Stadt mit Menschen am Rande von Gesellschaft und Kirche, die Heilung und Sinn suchen.

„Das Unmögliche von Heute ist die Arbeit von morgen. Ihr müsst Euch den Nöten anpassen“, sagt Anna Dengel. So zu leben und zu arbeiten, bedeutet auch, bereit zu sein, mich dem Wandel in der Sendung heilungsbedürftiger Menschen und Situationen zu stellen. Denn es geht es immer auch um ein Überschreiten und Weiten von Grenzen. Das Leben in Gelübden und die liebende Beziehung zu Jesus stimmen mich darauf ein, nichts festzuhalten, was ein „Mehr“ an Heilung hindert. „Wenn du wirklich liebst“… Irenas körperliche Beschwerden vermag ich zu behandeln. Doch bis zu ihrer ganzheitlichen „Heilung“ wird es noch lange dauern. Der lange Atem und der liebende Blick des verwundeten Heilers werden mir helfen. 

(von Sr. Dr. Maria Goetzens MMS)