Ordensgemeinschaften in Deutschland

Demut und Erleuchtung

Bei einem Formulierungsvorschlag entfährt mir spontan „Das ist ja grauenvoll!“. Das bezieht sich nur auf die Sprache, nicht auf den Inhalt, aber der vorschlagende Bischof fährt doch etwas zusammen.

Noch ein Tag in den Sprachgruppen. Wir schließen den Teil II des Instrumentum Laboris mit verschiedenen Änderungsvorschlägen ab, alles solid, nichts Revolutionäres. Bei einem Formulierungsvorschlag entfährt mir spontan „Das ist ja grauenvoll!“ Das bezieht sich nur auf die Sprache, nicht auf den Inhalt, aber der vorschlagende Bischof fährt doch etwas zusammen. Als ich mich später entschuldige, sagt er lachend: „Die heilige Theresa hat gesagt, man kann nur demütig werden, wenn man auch gedemütigt wird.“ Später trägt der Relator unserer Gruppe, eine Art gehobener Protokollant, den Entwurf seines Berichtes über diese Arbeitsphase vor, den er am nächsten Tag im Plenum vortragen muß. Diese Berichte gehen auch an die Öffentlichkeit, so dass sie die einzigen halbwegs verlässlichen Zwischenstandsmesser des Fortgangs der Synode sind. Anschließend kommen sie aber ins Archiv und werden nicht mehr gebraucht, so dass ich es nicht schaffe, die gleiche Verbesserungsleidenschaft aufzubringen, die mich beim Instrumentum Laboris eben noch ergriffen hat.

Dann gelingt unserem Moderator ein Geniestreich. Er schlägt vor, dass wir nicht mit dem Klein-Klein der Überarbeitung des Instrumentum Laboris weitermachen, sondern uns erst einmal zurücklehnen und gemeinsam über eines der heißen Eisen reden, den Umgang mit Homosexualität. Und er selber macht den Anfang und erzählt aus dem immer noch sehr katholischen Irland, wo vor fünf Monaten ein Referendum über die Ehe für Homosexuelle einen überwältigenden Sieg davongetragen hat. Der Erzbischof lässt keinen Zweifel daran, dass er gegen diese Entscheidung ist, aber er schildert eher nachdenklich als bitter, wie es dazu kam. Er beschreibt, wie die junge Generation ausschlaggebend war. Für junge Iren ging es nicht um das Wesen der Ehe, sondern um Fairness und Gleichberechtigung. Sie haben ihre Eltern und Großeltern motiviert, mit Ja zu stimmen. Das Referendum war ein Erdrutsch, und die Kirche muss einen Weg finden, wie sie sich wieder Gehör verschaffen kann. Die lange, ruhige Schilderung setzt den Ton für den nachfolgenden Austausch. Wir hören aus den USA, wo das Stimmungsbild ähnlich ist und der Höchste Gerichtshof inzwischen die Schwulenehe eingeführt hat. Es wird kaum differenziert. Wer gegen diese Entscheidung ist, wird als Verhetzer und Ideologe beschimpft. Dann kommt Afrika zu Wort: kulturell gibt es da keine Akzeptanz. Aber ein Bischof erklärt, dass ihm als einem „vom Evangelium erleuchteten Afrikaner“ auch der Respekt vor den Personen ein großes Anliegen ist. Ein anderer erzählt, wie es im Vorfeld der Synode in seiner Diözese zu sehr herabwürdigenden Formulierungen gekommen ist, ausgerechnet von solchen, die in Europa studiert haben. Faszinierend sind die Beiträge aus den Philippinen, wo Homosexualität ein ziemlich sichtbares Phänomen ist. Ein Bischof berichtet von einem Einkehrtag für Männern, die in diesem Milieu zu Hause sind; seine Botschaft von der bedingungslosen Liebe Gottes hat große emotionale Bewegung und einen echten Vertrauensschub in die Kirche ausgelöst. Diese Stunde des Austausches erzeugt keine neuen Änderungsvoten, aber sie bringt uns in der Sprachgruppe deutlich näher. Die erheblichen Kulturunterschiede – wir kommen aus fünf Kontinenten – werden in den nächsten Tagen jedenfalls auch bei den heißen Eisen keine Gesprächsbarrieren mehr sein.

An der Pressefront ist der Tag für mich erlebnisreich. Über Mittag darf ich im vatikanischen Pressesaal aufs Podium: zwei Frauen, ein Ordensmann und kein Bischof - Minderheitenprogramm à la Radio Vaticana? In den Büros geht es wuselig zu – der angebliche Brief der vermuteten 13 Kardinäle schlägt hier – anders als drüben in der Aula - immer noch Wellen. „Denkt Dir nix, Melodrama haben wir hier immer“, raunt mir ein Freund zu. Gelassen wie ein Fels in der Brandung steht der Pressesprecher P. Lombardi. Er nimmt auch nachher bei der Pressekonferenz sehr erfolgreich die Spannung raus. Eher unangenehm sind zwei adrette Amerikaner, die mich nach der Konferenz überrumpeln und in ein nur scheinbar harmloses Interview verwickeln. Der rote Aufnahmeknopf leuchtet, noch bevor ich weiß, mit wem ich es überhaupt zu tun habe. Ich ahne jetzt, wie es im letztem Jahr zu Kardinal Kaspers Afrikaäußerungen gekommen ist, und auch Tebartz van Elst geht mir durch den Sinn.

Am Abend treffen sich die deutschen Synodalen zum Hintergrundgespräch mit der Heimatpresse in der deutschen Botschaft beim Vatikan. Botschafterin Schavan ist Gastgeberin und in ihrer römischen Rolle offensichtlich bestens angekommen. Von Brancas meisterlicher Bau von 1981 bietet einen gediegenen Rahmen, und der gegenseitige Umgang ist höflich bis freundlich. Fallstricke sind nicht in Sicht. Gefragt wird vor allem, wo die Synode hingeht und wie es nach der Synode weitergehen kann. Man hört bei Fragenden und Antwortenden, dass da noch vieles offen ist.

Abt Jeremias Schröder OSB, Präses der Missionsbenediktiner von St. Ottilien, ist einer von zehn Ordensvertretern bei der Familiensynode im Vatikan. Hier auf orden.de teilt er seine Eindrücke mit unseren Lesern.