Ordensgemeinschaften in Deutschland

Du bist gemeint!

Ob es die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal war oder der Einmarsch Russlands in die Ukraine, ob es um eigene Misserfolge oder die der Kinder geht, stets setzt bald die Suche nach Schuldigen ein. Dabei steht gelegentlich das Leid der Betroffenen gar nicht mehr so sehr im Mittelpunkt. Spekulationen setzen ein, wer für eine Tragödie verantwortlich ist. Geht es um persönliche Belange, schalten viele Menschen heute schnell eine übergeordnete Instanz ein, um zu ihrem Recht zu kommen oder sich gegen scheinbares Unrecht zu wehren. Noch vor ein paar Jahren wurde oftmals Gott auf die Anklagebank zitiert: „Wie konnte Gott dieses oder jenes nur zulassen?“ Dies hat sich zugunsten anderer Autoritäten, Institutionen oder vermeintlich Verantwortlicher verschoben. Hinzu kommt in unserer Informationsgesellschaft eine Flut selbsternannter Spezialisten, die meinen, alles beurteilen zu können. 

Im Evangelium dieses Sonntags mahnt Jesus seine Zuhörer, dass sie dieselbe Strafe ereilen wird wie die Galiläer beziehungsweise die vom Turm Erschlagenen. Was diese als Strafe für eine begangene Sünde halten, lässt Jesus so nicht gelten. Seine Zuhörer sollten sich nicht in falscher Sicherheit wiegen. Vielmehr ruft er unmissverständlich zur Umkehr auf.

Im sich anschließenden Gleichnis vom fruchtlosen Feigenbaum lenkt Jesus den Blick auf das persönliche Leben. Der Weinbergbesitzer erwartet mehr als ein unaufgeregtes Immer-weiter-so. Der Winzer muss alles unternehmen, damit der Feigenbaum Früchte trägt. Und das ist mit Arbeit, also mit Anstrengung verbunden. 

Zur Umkehr gehört das Umgraben des eigenen Seelengrundes. Möglicherweise ist dieser Boden sehr verfestigt und hart geworden. Und alles, was Feuchtigkeit, Nahrung oder Energie spendet, fließt oberflächlich ab. Wie Umkehr im Einzelfall aussieht, dafür gibt es keine allgemeine Richtschnur. 

Umkehr beginnt mit dem mutigen Blick in den Spiegel des eigenen Lebens, sucht nach den Chancen der Zukunft und entscheidet sich dann, was dem Wachsen förderlich ist, ohne die Anstrengung persönlicher Verantwortung zu scheuen.

Über die Autorin

Sr. M. Ancilla Ernstberger ist Oberin der Augustiner Chorfrauen im Michaelskloster Paderborn.

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