Ordensgemeinschaften in Deutschland

Die ganz Reinen.

Künstler*innen, heute und gestern, werden danach bemessen, welche politische und gesellschaftliche Einstellung sie haben. Danach wird Kunst bemessen, nicht am Gehalt. Weil es klar zu sein scheint, dass ein korrumpierter Mensch keine gute Kunst schafft. Am besten sollen sie wie zölibatäre Priester nur dem Einen dienen: rein der Kunst. Ohne Hintergedanken.

Als die Berliner Haltestelle "Mohrenstraße" umbenannt werden sollte, wurde die Glinkastraße vorgeschlagen. Nur um dabei festzustellen, dass Glinka, der russische Komponist, Antisemit war. Und neuerdings sucht das österreichische Kulturministerium einen neuen, geschlechtsneutralen Begriff für Künstler, weil man feststellte, dass der bisherige Begriff "Kunstschaffende" aus der Reichskunstkammer Joseph Goebbels kommt.

Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Ich bin dafür, dass wir in der Sprache sensibel agieren. Nicht nur, was die Geschlechter angeht. Ich bin dafür, dass Politiker*innen sich so verstehen sollten, dass ihr Dienst nicht in die eigene Tasche geht.

Aber ich habe etwas Furcht vor Reinigungswellen. Vor allem, weil sie aus einer Gesellschaft kommen, die in bestimmten Bereichen gnadenlos handelt: Ist es nicht unserem Wirtschaftssystem zu verdanken, dass es den Klimawandel gibt? Dass Kinder die Metalle schürfen, die nachher in unseren Handys sind?

Moralische Reinheit gibt es nicht. Das war die Erkenntnis des Christentums. Alle Heiligen der Kirche haben ihre blinden Flecken. Weil sie eben Menschen sind. Aber sie wussten, dass sie sich selbst nicht Erlösung erarbeiten konnten. Sie waren vielmehr für das Transzendente offen. Egal wie herum wir versuchen, rein zu sein, wir werden es aus uns heraus nicht schaffen. Und müssen es auch gar nicht. Das ist zumindest die Botschaft des Christentums: „Jede Rebe, die an mir, Christus, bleibt, wird gereinigt“, so steht es im Johannesevangelium. Unsere Aufgabe scheint also zu sein, uns an der Transzendenz auszurichten, nicht an unseren eigenen Reinheitsvorstellungen.

Über den Autor

Br. Jens Kusenberg ist Mitglied des Kapuzinerordens.

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