Ordensgemeinschaften in Deutschland

Kolumne: Auf Abstand - HALTEN

Wer kennt sie nicht, die Situationen, in denen man sich mehr Distanz wünscht. Da wird ein anderer Mensch aufdringlich oder ein Thema, eine Frage kommt einem zu nahe. Eine Situation kippt und wird bedrohlich. Abstandhalten – glücklich, wer das lernen konnte ohne Schuldgefühle. Abstandhalten ist oft erlebenserhaltend.

Vor vier Jahren, als die erste Welle der Pandemie unser Leben durchwurzelte, mussten wir alle das Abstandhalten neu lernen. Leere Straßen und Bürgersteige. Diese Unsicherheit, wenn man sich begegnete. Überall Hinweise, Abstand zu halten. Auf der anderen Seite war plötzlich in vielen Familien, aber auch in Konventen ein normales Aus-dem-Weg-gehen nicht mehr möglich. Zu viel Nähe, zu viel vom Immergleichen.

Und dann die vielen neuen Möglichkeiten. Auf einmal konnten wir auf Abstand im Seelsorgeteam via „Zoom“ oder „Teams“ unsere Arbeit neu koordinieren. Wichtige Konferenzen waren auf Distanz möglich. Aber auch Begegnungen mit Freundinnen und Freunden konnten vor der Kamera, mit Kreativität und etwas Gutem Willen ganz anders werden, manchmal intensiver, weil plötzlich auf Distanz. Auf Abstand scheint also doch vieles möglich zu sein.

Und dann: „Mit Abstand der Jüngste“ oder „die Älteste“, heißt es manchmal. Das heißt doch: Die Jüngste und der Älteste gehören also mit Abstand dazu. Abstand halten vermag also auch Verbundenheit auszudrücken.

Meine Mitbrüder leben nun seit fast 2 Jahren im Mutterhaus der Mauritzer Franziskanerinnen in Münster, mit zwei weiteren Schwesterngemeinschaften. 14 Mitbrüder im Mutterhaus und 10 pflegebedürftige Mitbrüder im benachbarten Seniorenzentrum „Maria Trost“. Wir leben auf Abstand, haben unsere je eigenen Lebensbereiche. Dass viele eng miteinander verbunden sein könnten, das hätten wir alle vorher nicht gedacht.

Und so wird aus dem „Auf-Abstand-halten“ ein „Auf-Abstand-gehalten-sein.“ Und das ist wohl für alle, die es wagen, Sicherheiten hinter sich zu lassen, mit Abstand eine gute Nachricht.

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Über den Autor

P. Dr. Michael Baumbach MSF leitet die Gemeinschaft der Missionare von der hl. Familie in Deutschland.

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