Ordensgemeinschaften in Deutschland

Kolumne: Einfach anfangen

Vor dem Haus einer alten Frau ragt ein hoher Berg. Der Berg nimmt ihr das Licht, das sie sich zum Leben wünscht. Was tut sie? Sie fängt an, nimmt Hacke, Schaufel und Schubkarre und beginnt, den Berg abzutragen.
Die Nachbarn fangen an zu lächeln und zu spotten: "Jetzt ist sie ganz verrückt geworden, die Alte." Sie sagt: "Wartet nur, ich werde das schon schaffen. Schaufel für Schaufel, Karre für Karre" "Das schaffst du doch nie!", sagen die Nachbarn. Sie darauf: "Vielleicht habt ihr recht. Aber wenn ich es nicht schaffe, dann werden meine Söhne weitermachen; wenn sie es nicht schaffen, deren Söhne - irgendwann ist der Berg abgetragen." Die Legende mündet in den Satz: "Als Gott im Himmel dieses Vertrauen sah, da schickte er zwei Engel, die den Berg auf ihren Flügeln davontrugen."

Sie fängt einfach an. Sie trägt eine Sehnsucht nach Licht in sich, spürt eine Herausforderung und fängt an, Schaufel für Schaufel. Ich denke an viele Menschen, auch Ordenschristen, die nichts mit sich anzufangen wissen, mit ihrer Zeit, ihren Begabungen - und darum fangen sie nichts an. Wenn ich nicht anfange, erschöpft es mich, dass ich nicht anfange. Ich erfahre, Unerledigtes, erledigt mich. Gleichzeitig fängt immer etwas an. Der Tag fängt an, die Woche fängt an, das Jahr fängt an, die Schule fängt an, die Lebensmitte fängt an … . Meine Herausforderung ist, dieses Anfangen nicht einfach nur geschehen zu lassen, sondern es zu meinem Anfang zu machen.

In den vor uns liegenden Herausforderungen des Ordenslebens höre ich Franziskus von Assisi sagen: "Kommt, lasst uns endlich anfangen, denn bis heute haben wir nichts oder nur wenig getan."

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Über die Autorin

Sr. Maria Cordis Reiker ist Generaloberin der Franziskanerinnen vom hl. Martyrer Georg zu Thuine

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