Kolumne: Nadelstiche im Alltag
Rückfahrt von Turin nach München. Umstieg in Verona Porta Nuova. Leider fällt der (deutsche!) Zug aus, der mich von dort weiterbringen soll. Meine Gedanken in Richtung Deutsche Bahn sind nicht wirklich wohlwollend und die Aussicht jetzt einige Stunden auf die nächste Verbindung warten zu müssen erfüllt mich mit einer Portion Selbstmitleid. Ich Arme!
Um mir die Zeit zu vertreiben beschließe ich, mir eine Bank auf dem Bahnhofsvorplatz zu suchen. Da bemerke ich zwei junge Frauen, die immer wieder die Leute auf dem Platz ansprechen. Jetzt haben sie mich ins Visier genommen. Ich überlege einen Moment, mich zu verdrücken. Zu spät! „Dürfen wir Ihnen eine Frage stellen?“ Ganz begeistert bin ich nicht. Und insgeheim verdrehe ich ein wenig die Augen. Ich mag nämlich keine Straßenumfragen.
„Was macht für Sie ein glückliches Leben aus?“ Oje! Solch „große“ Fragen in drei Sätzen zu beantworten, geht das eigentlich? Aber gut, ich will mich auf das Gespräch einlassen.
Der erste Gedanke, der mir kommt ist ein Wort unserer Ordensgründerin Maria Mazzarello, das mir wirklich sehr lieb geworden ist: „Jeder Nadelstich sei ein Ausdruck der Liebe zu Gott!“ Und so kommen wir dann doch in ein gutes Gespräch darüber, dass ein glückliches Leben wohl nicht nur aus den großen Glücksmomenten besteht - die sind eigentlich auch eher rar gesät - sondern darin, die alltäglichen Aufgaben, die uns anvertraut sind, mit Liebe zu tun. Durchaus nicht einfach, denn sie kosten oft mehr Geduld als die großen Herausforderungen.
Viele Ordensgründerinnen und Ordensgründer haben Ähnliches gesagt und auch die Heilige Schrift erinnert immer wieder daran, dass Gott uns im Alltag und in den kleinen Dingen begegnet. Eigentlich ist mir dies auch bewusst, aber manchmal tut es gut, sich diese Wahrheit von anderen immer wieder neu zusagen zu lassen. Und so danke ich den beiden – sie heißen Laetitia und Julia – für das Gespräch und dafür, dass sie mich mit ihrer Frage an dieses für mich doch so wichtige Wort erinnert haben. Und für den Rest der Zeit bleibt mir ausreichend Stoff zum Nachdenken.