Kolumne: OSB – Oh, sie bauen!
Wir Benediktiner verwenden nach unserem Namen das Ordenskürzel O.S.B. und geben damit zum Ausdruck, dass wir dem Ordo Sancti Benedicti (OSB) angehören. Manche Zeitgenossen übersetzen das Kürzel aber Spaßes halber auch mit: Oh, sie bauen!
In unserer langen Klostergeschichte in Ottobeuren, ununterbrochen seit 764, wurde schon viel gebaut, aufgebaut und umgebaut, abgebaut und wieder aufgebaut. Unseren klösterlichen Vorfahren ging es immer darum, im Blick auf das Lob Gottes und das Leben in einer klösterlichen Gemeinschaft den geeigneten Raum dafür zu schaffen. Auch wenn Klostermauern nach außen meist wie etwas ewig Dauerhaftes wirken, so verändert sich das Gemeinschaftsleben doch kontinuierlich. Weil sich das Leben, die internen Anforderungen und die Einwirkungen von außen stets wandeln, sind wir Benediktiner eigentlich meistens auch mit Bauen beschäftigt, um auf Zeitumstände und Veränderungen immer neu und angemessen zu reagieren. Dabei kann der Ruf: „Oh, sie bauen!“ je nach Betonung Verschiedenes bedeuten:
Oh, sie bauen! Großartig, sie machen etwas, sind aktiv, haben Pläne, schmieden Zukunft. Oder:
Oh, sie bauen! Um Gottes willen, etwas Gewohntes, Liebgewonnenes oder Heimatstiftendes wird verändert, beendet oder gar abgerissen.
Nicht nur Klöster, die ganze Kirche befindet sich in einem permanenten Wandel, um nicht zu sagen, derzeit in einem rasanten und großen Umbruch. Die einen rufen freudig, ja, lasst uns die Kirche weiterbauen, umbauen, erneuern, aufbauen, renovieren. Die anderen befürchten Schaden, Zerstörung oder gar Abriss. Wie im Alltagsleben der Menschen leider oft Beziehungen auseinandergehen, wenn sie gemeinsam ein Haus bauen oder Bauprojekte leider oft vor Gericht landen, weil sich Bauherr und Bauleute über die konkreten Ausführungen streiten, wird leider auch in der Kirche beim Umbau ihre gegenwärtige Zerrissenheit sichtbar.
Hätten sich zu Beginn der Kirche die Apostel damals an Pfingsten vorstellen können (vgl. Apg 2), wie vielfältig und wie oft die Kirche später einmal (in ihrer Geschichte) aufgebaut und umgebaut, abgebaut und wieder aufgebaut werden würde? Nein, sie konnten es nicht einmal ahnen. Sie wussten nur, Jesus Christus ist der Eckstein (vgl. 1 Petr 2). Nur von ihm her wird Kirche gebaut und auferbaut, nur von ihm her eröffnen sich Räume für Gott und für die Menschen. Wie die Apostel einst nicht ahnen konnten, wie sich die Kirche (in ihrer Geschichte) einmal entwickeln würde, sehe auch ich noch nicht, wie der christliche Glaube in 10 oder 20 Jahren gelebt wird. Aber es beunruhigt mich nicht. Denn:
„Jesus Christus ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit.“ (Hebr 13, 8) Das ist das Entscheidende und Unveränderliche in allem Wandel. Damit kann ich mich gut auf die Zukunft einlassen. Oh, sie bauen! Ja, auf diesem Fundament werden mein Glaube und meine Hoffnung lebendig sein, wie auch immer die Kirche in 10 oder 20 Jahren einmal aussehen wird.