Kolumne: Stückwerke
Stück- und Flickwerke sind nicht unbedingt positiv besetzte Worte. Trotzdem stehen in Assisi die Pilger staunend vor dem zusammengeflickten Gewand des hl. Franziskus. Vielleicht ist es die Verwunderung, dass jemand es freiwillig gewagt hat, sich so „armselig“ und „schwach“ zu zeigen. Den Gegensatz zum „normalen“ Alltag spüren wir heute wie vor 800 Jahren. Kleider machen eben Leute, durch alle Jahrhunderte hindurch. Auf Deutsch bemühen wir uns, den „schönen Schein“ zu waren, auf Italienisch geht es um die „bella figura“.
Der innerkirchliche Reformer Francesco hat freiwillig einen neuen Stil gewählt und damit eine neue Perspektive eingenommen. Gegen das perfekt inszenierte Äußere von Kirche, Geblüts- und Geldadel wagt er es, Bruchstückhaftigkeit und Verletzlichkeit zuzulassen und zeigt genau darin eine überzeugende Authentizität. Wenn die Schale wegfällt, kommt der Kern zum Vorschein.
Wir erleben gerade, wie sehr der äußere Glanz von Kirche und Ordensleben vergeht. Wir stehen da, noch nicht ganz nackt, aber doch ziemlich zerlumpt und zerzaust. Der äußere Schein ist verflogen. Der Blick in die tiefsten Abgründe ist offen. Es zeigt sich Negatives wie Positives.
Franz von Assisi positioniert sich in einer Kirche, die auf Äußerlichkeiten, auf Macht, auf Perfektion und Rechthaben Wert legt. Er stellt sich an den Rand, ohne mit Worten zu kritisieren und doch ist sein geflickter Habit ein Spiegel, in dem sich Institution und Personen so sehen, wie sie sind. Eine Chance zur Authentizität.