Ordensgemeinschaften in Deutschland

Kolumne: Wir trauen uns! – Ausstieg aus dem Konjunktiv

Der Wüstenzug der Israeliten in den biblischen Büchern Exodus und Numeri bietet immer neue Anregungen für alltägliche Lebenssituationen. Eine Station auf ihrem Wüstenzug ist mir in letzter Zeit sehr wichtig geworden, auch weil sie so gut in unsere aktuelle gesellschaftliche und politische Situation passt.

Nach langem Verhandeln mit dem Pharao darf das Volk endlich aufbrechen. Kurz darauf besteht es die Bedrohung durch die nachrückenden Ägypter. Es lässt alles hinter sich, angetrieben von der großen Hoffnung auf das gelobte Land. Sie ziehen durch die Wüste, mit all den Nöten, die sich daraus ergeben: Heimatlosigkeit, Hunger und Durst. Und dann endlich kommen sie an eine Stelle, an der Mose Kundschafter aussendet, denn das Land, vor dem sie stehen, ist das verheißene Land (Num 13).

Nun aber entwickelt sich ein neues Drama. Die Kundschafter kommen zurück. Das Land ist schön, es hätte viel zu bieten, ein „Land, in dem Milch und Honig fließen“. Zwei der Kundschafter meinen, dass dieses Land zu erobern sei. Die anderen aber haben große Bedenken, weil das Volk, das in dem Land wohnt, stark ist.

Wir trauen uns nicht! Mit dieser Reaktion wendet sich das Geschick. Das Volk weint vor Angst. Die Nöte der Wüste sind ihm lieber als die Herausforderung der Landnahme. Die Eroberung könnte schiefgehen. Sie könnten umkommen. Und plötzlich wären sie lieber in der Sklaverei Ägyptens geblieben.

Die Konsequenz ihres Verhaltens bleibt ihnen nicht erspart: „Keiner von euch wird in das Land kommen“, so der Spruch des Herrn (Num 13,30), und die Wüstenwanderung zieht sich über weitere 40 Jahre hin, über eine ganze Generation.

Ich nehme aus dieser Erzählung in meinen Alltag mit, dass die Überlegungen, was alles passieren könnte, durchaus zur Klugheit gehören. Ich kann mich entsprechend rüsten und vorbereiten, ich bin präsenter, aufmerksamer, ich nutze Chancen und lasse Vorsicht walten, wo es nötig ist, und bleibe ausgerichtet, auf das, was Gott in mir bewegt. Aber etwas zu unterlassen, weil ich mich nicht traue, obwohl ich es doch eigentlich will und wünsche, scheint mir nach dieser Exodus-Episode keine Handlungsoption zu sein. Klare Entscheidung geht anders.

Ich halte mich an Kaleb, der das Volk besänftigt und sagt: „Wir werden hinaufziehen und das Land in Besitz nehmen. Wir können es bezwingen.“ Es hilft mir zu wissen, dass ich in meiner Ordensgemeinschaft nicht allein gehe. Es ermuntert mich zu sehen, wie Schwestern sich aufraffen und mutig Neues wagen. Wir steigen aus dem Konjunktiv der möglichen Risiken aus. Wir trauen uns.

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Über die Autorin

Sr. Cosima Kiesner ist Provinzoberin der Congregatio Jesu (Mitteleuropäische Provinz).

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