Wenn ein Gesicht wie ein Buchdeckel ist
Wir stehen in der Fastenzeit, in der die Passionszeit, weil die Erinnerung an die letzten Tage im Leben Jesu begonnen hat. Der römische Richter Pilatus führt ihn heraus vor seine Ankläger mit den Worten: „Ecce homo – Seht, der Mensch!“ (Joh 19,5) Während diese seinen Tod fordern, richtet Jesus seinen Blick nach oben.
Kürzlich schrieb mir eine Freundin den interessanten Vergleich, dass das Gesicht eines Menschen wie ein Buchdeckel sei. Ähnlich wie der geöffnete Buchdeckel das dahinter verborgene Buch zugänglich mache, enthülle auch das Gesicht eines Menschen manchmal Spuren seines Lebens.
Das Gesicht Jesu. Wie ausdrucksstark es doch immer wieder gemalt worden ist. In ihm zeigt sich sein Leben, wie wir es aus den Schriften des Neuen Testaments kennen. Dieser Blick nach oben. Während andere seinen Tod fordern und er die Schmerzen der Folter erträgt, vertraut er offensichtlich seinem himmlischen Vater und gibt sich ganz in Gottes Hände.
Ich schaue täglich in viele Gesichter, aber nicht in jedem sehe ich auch gleich die Lebensgeschichte dahinter. Nur manchmal, in einem Gespräch, beim Nachrichtensehen, bei einer zufälligen Begegnung. Als langjähriger Gemeindepfarrer weiß ich um Lebenswege und Familiengeschichten, teilweise über Generationen hin. Dabei gelingt es Menschen nicht immer, nach oben zu schauen und auf Gott zu vertrauen.
Und was sehe ich, wenn ich mich selbst in einem Spiegel betrachte? Hinter der Fassade! Hinter dem Buchdeckel. In meinen Augen ist es notwendig und fruchtbar, sich als gläubiger Mensch mit dem eigenen Leben zu beschäftigen und es immer wieder neu auf Gott hin zu deuten und auszurichten, demütig, kritisch, versöhnungsbereit und dankbar.