Ordensgemeinschaften in Deutschland

Prädikat „christlich“ muss sich im Handeln niederschlagen

Generaloberinnen aus dem deutschsprachigen Raum fordern von Politikern mehr Barmherzigkeit – Tagung in Kloster Oberzell unter dem Motto „Leidenschaftlich für das Leben“ – Ordensfrauen machen sich für Schutzbedürftige stark

Kloster Oberzell (POW) „Die Schutzsuchenden dürfen nicht auf dem Altar des kommenden Bundestagswahlkampfs geopfert werden.“ Gerade Parteien, die die Bezeichnung christlich im Namen führten, seien gefordert, auch entsprechend zu handeln. Dieses einstimmige Votum haben 29 Generaloberinnen im Kloster Oberzell (Landkreis Würzburg) abgegeben. Zugleich kritisierten sie die derzeitige Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern nach Afghanistan wegen der nach wie vor gefährlichen Lage dort. Die Oberinnen vertreten mehr als 10.000 Ordensfrauen von Kongregationen, deren Generalat in Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg liegt. Von Donnerstag, 9., bis Montag, 13. März, tagten sie im Haus Sankt Klara in Kloster Oberzell unter dem Motto „Leidenschaftlich für das Leben“.

Unter anderem setzten sich die Ordensfrauen in einer biblischen Einheit mit dem Thema „Gastfreundschaft – Umgang mit Fremden“ auseinander. Ergänzt wurde dieser Einblick durch Erfahrungsberichte von Verantwortlichen aus ihrer Arbeit mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und Frauen in Not. Unter anderem besuchten die Oberinnen das Mutterhaus der Erlöserschwestern und die Gemeinschaft Sant'Egidio in der Würzburger Innenstadt. Beide beherbergen und betreuen seit 2015 Flüchtlinge.

„Es ist selbstverständlich, dass wir als Orden uns für die Schwachen und Schutzbedürftigen stark machen“, erklärte Schwester Katharina Ganz, Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen. Das biblische Zeugnis von der Rettung der hebräischen Kinder durch die Hebammen Schifra und Pua im Buch Exodus oder auch das Gespräch Jesu mit der Syrophönizierin über das Brot, das vom Tisch auch für Heiden abfällt, zeige, dass aus der Gottesfurcht heraus Entscheidungen gefragt seien, wenn es darum geht, was mehr dem Leben diene. „Wo Menschlichkeit, Barmherzigkeit und Großherzigkeit nicht im Blick sind, darf auch das Prädikat ‚christlich‘ nicht verwendet werden“, hob Schwester Regina Pröls von den Franziskusschwestern aus Vierzehnheiligen (Erzbistum Bamberg), stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Ordensoberenkonferenz (DOK), hervor.

Die von den Ordensoberinnen vertretenen Gemeinschaften hätten dieses Anliegen schon vielfach ganz praktisch in die Tat umgesetzt, berichtete Schwester Monika Edinger, Generaloberin der Erlöserschwestern. Wie in ihrem Würzburger Mutterhaus seien auch andernorts in vielen Klöstern Räume für Flüchtlinge bereitgestellt worden. Schwester Edith-Maria Magar, Generaloberin der Franziskanerinnen von Waldbreitbach (Bistum Trier), berichtete von einer Kongregation, die sieben Schwestern zählt und deren jüngste 65 Jahre alt ist. „Sie haben sich ganz bewusst dafür entschieden, eine Flüchtlingsfamilie in ihrem Kloster aufzunehmen.“ Auch in ihrem Kloster in Waldbreitbach hätten sich die Schwestern bereitwillig dafür entschieden, ein Haus zu räumen, um dort Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf zu bieten. Wie Edinger ausführte, seien die in Oberzell tagenden Oberinnen einig, dass gerade die christlichen Parteien gefragt seien, ihren christlichen Anspruch auch in die Praxis umzusetzen – „jetzt“.

Durch die Filialen im Ausland seien die Orden von Haus aus international und im besten Sinn grenzüberschreitend ausgerichtet, betonte Schwester Roswitha Heinrich von den Dillinger Franziskanerinnen (Bistum Augsburg). Auch der interreligiöse Dialog sei dadurch für die Ordensfrauen schon lange Usus. „Wenn wir von einem globalisierten Christentum sprechen, dann sind wir uns aber durchaus aller Spannungen und Herausforderungen bewusst, die damit verbunden sind“, sagte Edinger. Ordensfrauen setzten sich auf allen Ebenen dafür ein, dass Fluchtursachen bekämpft würden. „Da ist zum einen das Thema Bildung ganz entscheidend, zum anderen setzen wir uns dafür ein, dass Waffenexporte aus Europa endlich aufhören“, erklärte Ganz.

Ausführlich beschäftigen die Ordensoberinnen sich bei der Tagung auch mit den psychologischen Aspekten des Fremdseins und mit der Frage, wie es gelingen kann, die eigenen Grenzen zu weiten. Am Samstagvormittag sprach Psychiater Dr. Martin Flesch (Veitshöchheim) über psychische Erkrankungen bei Migranten und beleuchtete in seinem Vortrag auch inter- und transkulturelle Aspekte. Weiteres Thema der Versammlung war das Diakonat der Frau. „Bei der kommenden Sitzung der von ihm einberufenen Kommission zum Thema wird auch erstmals Papst Franziskus selbst teilnehmen“, sagte Heinrich. Das sei neben der erstmals paritätischen Besetzung einer päpstlichen Kommission mit Frauen und Männern ein Hoffnungszeichen.

Der Würzburger Bischof Dr. Friedhelm Hofmann feierte am Samstag in der Mutterhauskirche der Erlöserschwestern mit den Ordensoberinnen eine Vesper. Ein Kulturprogramm und die Teilnahme am ökumenischen Versöhnungsgottesdienst in Triefenstein (Landkreis Main-Spessart) bildeten inhaltlich den Abschluss der Tagung.