Ordensgemeinschaften in Deutschland

"Wir sind dem Ziel näher gekommen"

Sr. Maria Theresia Hörnemann SSpS berichtet von ihren Eindrücken als Teilnehmerin der Kinderschutzkonferenz im Vatikan vom 21. - 24. Februar 2019.

Vom 21. - 24. Februar 2019 fand in Rom der von Papst Franziskus einberufene Kinderschutzgipfel statt. Sr. Maria Theresia Hörnemann SSpS, Generalleiterin der Steyler Missionsschwestern mit Sitz in Rom, nahm für die internationalen Vereinigung der Ordensoberinnen UISG an der Tagung Teil. Auf orden.de berichtet die deutsche Ordensfrau von ihren persönlichen Eindrücken: 

"Als Mitglied des Vorstandes der Internationalen Vereinigung der Ordensoberinnen (UISG) habe ich an der Kinderschutzkonferenz im Vatikan vom 21. – 24. Februar 2019 teilgenommen. Wir waren 193 TeilnehmerInnen, darunter eine kleine Minderheit von 12 Frauen, davon 10 Ordensfrauen.  Es war das erste Mal, dass alle Mitglieder des Vorstandes zur Teilnahme an einer solch hochrangigen Konferenz im Vatikan eingeladen wurden. Das war um so überraschender als wir für ähnlichen Konferenzen (z.B. Familiensynode/Jugendsynode) um unsere Beteiligung angefragt haben und einige  wenige Plätze erhielten. 

Den wohl stärksten Eindruck der Konferenz haben die persönlichen Zeugnisse von Missbrauchsopfern in mir hinterlassen. Gleich am ersten Morgen, während des Eröffnungsgebetes, hörten wir die Stimmen von fünf Betroffenen aus fünf Kontinenten. Jeden Abend war eine andere betroffene Person anwesend, die ihre schmerzlichen Erfahrungen mit dem sexuellen Missbrauch schilderte. Allen gemeinsam war die tiefe Verletzung durch eine ihnen vertrauten Person und die unbeschreibliche Not, jahrelang nicht darüber sprechen zu können, nicht gehört und verstanden zu werden als auch die lebenslangen Folgen, die ein solches Trauma hinterlässt. Nach dem Anhören der Zeugnisse herrschte eine betroffene Stille im Raum, die ich wie einen „lauten Schrei“ empfunden habe.  

Aus meiner Sicht waren die Referate gut ausgewählt und haben die Tagesthemen von verschiedener Seite beleuchtet. Drei von den neun Vortragenden waren Frauen, eine davon Sr. Veronika Openibo, Generaloberin der „Society of the Holy child Jesu“ und Mitglied des Vorstandes der UISG.  

Im Anschluss an die Vorträge diskutierten wir das Gehörte in 11 Sprachgruppen. Zu unserer englischen Gruppe gehörten mehrere Kardinäle und Bischöfe unterschiedlicher Nationalitäten, einige männliche Ordensobere und zwei Ordensfrauen. Ich war sehr gespannt, ob und wie man in einer solchen Gruppe über ein Thema wie sexuellen Missbrauch sprechen kann. Anfangs war es auch spürbar,  dass wir mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen an das Thema heran gingen. Einige waren sogar der Auffassung, dass es wichtigere Themen gibt, mit denen wir uns beschäftigen sollten. Im Laufe der drei Tagen war eine deutliche Veränderung wahrnehmbar.  Neben dem Austausch wurden Fragen an diejenigen gestellt, die mehr Erfahrung im Umgang mit Opfern und Tätern haben. Als Wurzeln des Verbrechens wurden Machtmissbrauch, Klerikalismus, eine Kultur des Schweigens, Abwehrhaltung zum Schutz der Institution und mangelnde gemeinsame Richtlinien benannt.  Konkrete Vorschläge wurden besprochen und ins Plenum eingebracht. Befremdend war für mich, dass sich Kardinäle und Bischöfe in einer solchen Gruppe auch heute noch mit „Eminenz“ und „Excellenz“ ansprechen.

Ich glaube, dass wir einem wichtigen Ziele dieser Konferenz, nämlich einen gemeinsamen Bewusstseinsstand zu erreichen, ein Stück näher gekommen sind. Mir ist klar, dass das recht spät kommt und für viele zu wenig scheint, aber es ist eine Voraussetzung dafür, um gemeinsam und effektive dafür zu sorgen, dass Kirche ein Ort ist, wo Kinder geschützt sind. Es ist ein notwendiger Schritt auf diesem Weg, dem weitere Schritte folgen müssen, an denen nach Abschluss der Konfernz gleich gearbeitet wurde.    

Papst Franziskus war während der ganzen Konferenz anwesend. Er betrat die Konferenzhalle zu Beginn der Sitzungen fast unbemerkt, begrüßte die Hereinkommenden auf persönliche und unkomplizierte Weise, hörte intensiv zu, mischte sich während den Kaffeepausen immer unter die TeilnehmerInnen und kam mit allen, die es wollten, ins Gespräch - ein ermutigendes Beispiel für einen dienenden Leitungsstil, der das Wohl des anderen im Blick hat."