Ordensgemeinschaften in Deutschland

Brasilien - ein missionarischer Reisebericht - Teil II

Sr. Maria Dolores Bilo SMMP und Frau Heike Schmidt-Teige, Schwestern der Hl. Maria Magdalena Postel berichten von ihren Erlebnissen in Brasilien. Eindrücke aus einer uns fernen Welt.

7. August 2016

Heute wollen wir 180 Jahre Gott vertrauen und Zuversicht feiern. Sr. Maria Ludwigis Bilo und Irma Ana Soares de Souza werden je 90 Jahre. Um 10 Uhr ist heilige Messe. Die Kapelle ist bis auf den letzten Platz besetzt. Familie, Freunde und Menschen, die gekommen sind, um gemeinsam mit den Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel diese beiden ganz besonderen Ordensfrauen zu feiern, die in ihrem Leben viel geleistet haben, aber nie an sich selbst gedacht haben, sondern immer an andere, die Hilfe brauchten. Dies wurde in der Messe durch Padre Joao aber auch von Irma Aurora entsprechend gewürdigt. Die anschließende Präsentation der Vida beider Schwestern untermauerte das nochmals. In der Gemeinschaftshalle unterhalb des Provinzhauses wurde im Anschluss ein fröhliches Fest gefeiert mit gutem Essen, Tanz und Musik sowie einem beeindruckenden Auftritt der
Capoeiragruppe. Viele eingeladene Gäste gaben sich die Ehre.Ab 15 Uhr trafen auch die ersten Menschen vom Stadtrand ein, die zu Kaffee und Kuchen eingeladen waren. Für den Transport vom Stadtrand war ein Bustransfer eingerichtet worden. Bewegende Momente und Begegnungen mit ihrer „Mama Ludwigis“ nahmen kein Ende. Unter der Regie von Sabine Stephan trugen Kinder und Jugendliche vom Imperial einen Reigen eingeübter Lieder vor und das Publikum stimmte fröhlich mit ein.

8. August 2016

Heute fahren wir mit Irma Aurora und Sr. Maria Ludwigis ins Grüne an die Grenzen des Einzugsgebietes von Leme. Zuckerrohrplantagen, die teils abgeerntet und bereits wieder neu bepflanzt waren, fielen uns sofort auf, als wir die Stadtgrenze verließen. Dann entdeckten wir sogar eine Erntemaschine bei der Arbeit. Irgendwie ein komisches Gefühl, wenn man bedenkt, dass diese Arbeit der Maschinen bis vor wenige Jahre noch durch menschliche Arbeitskraftbewältigt wurde, die gutes Geld für viele Menschen bedeutete und die Existenz sicherte. Auf dem abgeernteten Feld tummelten sich viele Vogelarten, die sich an den verbleibenden Stoppeln auf den Feldern ihre Nahrung suchten. Diese Lebewesen haben es eindeutig einfacher zu überlegen, als viele Menschen, die am Stadtrand von Leme untergekommen sind. Auf unserer Fahrt kamen wir dann an einer Zuckerrohrfabrik vorbei, die auf Hochtouren Zuckerrohr verarbeitete. Die Energie, die für die Arbeitsprozesse benötigt wird, gewinnt man durch die Verwertung der Abfallprodukte des Zuckerrohrs.Auf unserem weiteren Weg sahen wir uns Kaffeeplantagen und Bananenfelder an. So etwas sehen wir auch nicht alle Tage. Die Kaffeepflanzen stehen kurz vor der Blüte, vereinzelt gab es ber auch bereits gereifte rote Kaffeebohnen.

An den Bananenstauden fanden wir noch vereinzelt den herzförmigen Fruchtstand als Zeichen, dass die Banane erntereif ist. Nur einmal in ihrem Leben trägt eine Bananenstaude Früchte,
dann stirbt sie ab. Bevor die Staude stirbt bildet sie Schösslinge, woraus neue Pflanzen entstehen.Riesige Orangenplantagen rundeten unsere Ausfahrt ins Grüne ab. Es war interessant zu
beobachten, wie die durch Pflücker geernteten Früchte mittels Förderband in eine Art offenes Silo transportiert werden. Der unter dem Füllrohr stehende LKW wird sukzessive beladen.
Eine gleichmäßige Verteilung auf der Ladefläche wird durch das manuelle Eingriffen eines Arbeiters sichergestellt, der sich quer über die Orangen schmeißt und die Früchte verteilt. Die
Menschen, die als Erntehelfer arbeiten, werden mit Bussen auf die Plantagen gebracht und schultern 8 Stunden täglich 25 kg schwere Säcke.Einer der Arbeiter drückte uns ein Messer in die Hand, damit wir in der Plantage von den frischen Orangen eine Kostprobe nehmen konnten. Sie haben wirklich sehr lecker geschmeckt. Leider werden Früchte, die z.B. braune Flecken haben, nicht mehr verkauft. Sie werden zu Saft verarbeitet, wenn‘s gut läuft an bedürftige Menschen verteilt oder einfach weggeschmissen. Während der Rückfahrt nach Leme bemerkte Sr. M. Dolores, dass sie sich an der linken Handfläche und an drei Fingern der rechten Hand verletzt hatte. Da sich die Wunden rasch schmerzhaft entzündeten, musste am späten Nachmittag noch ein Arzt aufgesucht werden. Ausschlaggebend für die Wunden waren wahrscheinlich aggressive Dornen der Orangenbäume. Der Arzt verordnete eine Antibiotika Behandlung sowie eine Tetanusinjektion. Nachdem sich die Aufregung wieder gelegt hatte, fuhren wir mit Irma Aurora und Sr. Maria Ludwigis am Abend in die Comunidade Recanto Placida zu Irma Maria Luiza und Irma Jania, wo wir zum Abendessen eingeladen waren. Es gab Pizza in der bekannten Variante mit Käse, Wurst und Gemüse. Es gab aber auch eine Pizza mit Käse und süßer Marmelade, diese Zusammenstellung war neu für uns- Es schmeckte aber alles sehr gut.


9. August 2016

Am Dienstag stand der Besuch im Centro Educacional, in direkter Nachbarschaft zum Provinzhaus, auf dem Plan. Irma Elicir informierte uns über die Entwicklungen der Einrichtung, aber
auch über Probleme, die gelöst werden müssen Im Centro Educational sind 141 Kinder, davon 60 im Alter von 2 Monaten bis 3 Jahre. Monatlich müssen 6.000 REAL (1.683 €) für die Schulspeisung aufgebracht werden. Für die Kleinen beträgt der monatliche Kostenbeitrag für die Verpflegung 360 REAL (101 €) und für die älteren Kinder 280 REAL (78,55 €). Teilweise erfolgen diese Zahlungen noch durch regionale Unternehmen für die Kinder von Mitarbeitern, die im Unternehmen tätig sind. Leider ziehensich aber immer mehr Firmen aus wirtschaftlichen Gründen aus der Finanzierung zurück. Rund 20 % der Eltern zahlen nicht ausreichend oder nichts, da durch den Verlust des Arbeitsplatzes kein Einkommen mehr verfügbar ist. Grundsätzlich ist der Kostenbeitrag für die Schulspeisung durch den Staat bzw. die Stadt zu zahlen. Leider bleiben diese Zahlungen bereits seit Monaten aus, trotz wiederholter Erinnerung. Der Rückstand beträgt derzeit 26.000 REAL (7.294 €). Diese rückläufigen Zahlungen wirken sich auch negativ auf den wirtschaftlichen Erfolg des Centro Educacional aus. Monatliche Kosten von rund 55.000 REAL (15.430 €) (müssen für die Gehälter aufgebracht werden. Hinzu kommen weitere Investitionen durch neue Auflagen der Gesundheitsämter. Alle Bereiche, in denen gegessen oder gekocht wird, müssen kurzfristig mit speziellen Fliegenschutzgittern ausgestattet werden. Dafür müssen zusätzlich ca. 4.000 REAL (1.122 €) bereitgestellt werden.
Die einzelnen Klassen, Spiel- und Aufenthaltsbereiche des Centro Educacional sind sehr farbenfroh und freundlich gestaltet und die kleinen und großen Kinder scheinen sich sehr wohl zu fühlen. Abends waren wir Gemeinsam mit Irma Aurora und Sr. Maria Ludwigis im Konvent Casa Vocacional „Anchieta“ bei Irma Elicir und Irma Rosa zum Essen eingeladen. Dort trafen wir
auch Nina, Viktoria und Luisa, die drei MaZ-Mädchen wieder.

10. August 2016

Heute ist mit einem lachenden und einem weinenden Auge Kofferpacken angesagt. Die Zeit in Leme war eine sehr intensive Zeit und wir haben jeder für sich persönlich viele Informationen
und Eindrücke aus den Projekten in Leme im Gepäck. Zahlreiche Begegnungen werden uns noch weit über unsere Reise hinaus begleiten. Vieles , was wir gesehen haben, machte uns sehr traurig. Wie kann es sein, dass man in einer der 10 größten Industrienationen der Welt so viel Not vorfindet, Menschen und Familien am Rande der Gesellschaft, die anscheinend für die
Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft nicht existent sind.


11. August 2016

Um 14 Uhr fahren wir am Provinzhaus ab Richtung Flughafen Sao Paulo. Unsere Reise neigt sich dem Ende entgegen und wir verabschieden uns bei den Schwestern, Frau Stephan und den
Mädchen. Bei der Fahrt durch Sao Paulo sahen wir unzählige Menschen, die auf einer sechsspurigen, viel befahrenen Durchgangsstraße unter Einsatz ihres Lebens versuchen, als
fliegende Händler das eine oder andere an den Mann oder die Frau zu bringen. Frühzeitig erreichen wir den Aeroporto Internacional de São Paulo/Guarulhos und finden auch schnell den Schalter, an dem wir unsere Bordkarten erhalten und das Gepäck einchecken können. An diesem Flughafen werden rund 30 % des brasilianischen Luftverkehrs abgewickelt. Jährlich werden 39,6 Mio Passagiere abgefertigt. Es bleibt bis zum Abflug noch genügend Zeit für ein letztes Pan de Queijo, dem brasilianischen Käsebrötchen. Ein landesspezifischer Snack, den man ofenwarm isst.Dann heißt es Abschied nehmen, von Brasilien, Irma Aurora und Sr. Maria Ludwigis. Bis bald. Até logo, Brasil!


12. August 2016

Gegen 14:30 Uhr landen wir wohlbehalten in Frankfurt und werden am Flugzeug von einer netten Dame mit dem für Sr. Maria Dolores gebuchten Transportmittel, einem Elektrofahrzeug, am Flugzeug abgeholt, durch die Passkontrolle chauffiert und am Gepäckband abgesetzt. Den Rest schaffen wir dann alleine. In Frankfurt gibt es neben den normalen Rollstühlen 50 solcher Elektrofahrzeuge mit Platz für bis zu 5 Personen. Täglich werden bis zu 5.000 Menschen mit körperlichen Einschränkungen damit im Flughafen transportiert.

Heike Schmidt-Teige und Sr. Maria Dolores Bilo