Vor einem Jahr ist die Initiative #OutInChurch mit einem Manifest an die Öffentlichkeit gegangen. Es wandte sich gegen die Diskriminierung und Ausgrenzung, die queere Menschen in der Kirche machten und machen. Begleitet wurde der Schritt von einer viel beachteten Fernsehdokumentation, in der sich Mitglieder der katholischen Kirche bzw. Mitarbeitende öffentlich als queer outeten und von ihren Erfahrungen in der Kirche berichteten.
Die Initiative forderte unter anderem eine Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts sowie, „diffamierende Aussagen der kirchlichen Lehre zu Geschlechtlichkeit und Sexualität auf Grundlage theologischer und humanwissenschaftlicher Erkenntnisse zu revidieren“. Die Kirche dürfe zudem LGBTIQ+Personen bzw. -Paaren den Segen Gottes nicht vorenthalten.
Br. Andreas Murk OFM Conv., Vorsitzender der Deutschen Ordensobernkonferenz stellt fest: „Nach wie vor gibt es in den Ordensgemeinschaften auch innerhalb Deutschlands unterschiedliche Sichtweisen zum Thema ‚LGBTIQ und Kirche'. Dennoch hat sich im Verlauf des vergangenen Jahres mit Blick auf dieses Thema auch in den Ordensgemeinschaften vieles verändert.“ Es werde viel offener damit umgegangen, dass geschlechtliche Identität offensichtlich nicht immer so eindeutig sei, wie man sich das traditionell vorstelle. Die Not, die das auslösen könne, werde sehr viel bewusster wahrgenommen. „Und: Wenn ich mich in Menschen hineinzuversetzen versuche, die mit homosexueller Orientierung in einem Orden leben und die sich nun damit hoffentlich nicht länger verstecken müssen, kann ich erahnen, welche Erleichterung das für unsere Schwestern und Brüder bedeutet. Auch sie dürfen Gott beim Wort nehmen: Er liebt den Menschen, wie er ihn geschaffen hat.“
In den Gemeinschaften seien aber auch Verunsicherungen angesichts von #OutInChurch zu spüren. Manche Ordensleute sähen die Veränderungen in der Sexualmoral kritisch und täten sich, wie auch Teile der Gesellschaft, schwer, die Veränderungen anzunehmen. Br. Andreas zeigt sich aber überzeugt: „Auch mit #OutInChurch bleibt Ordensleben Ordensleben. Wir stellen ja nicht unsere Gelübde in Frage. Aber uns wird bewusster, dass auch homosexuelle Menschen die Gelübde leben und mit ihnen ringen wie alle anderen – und das nicht erst seit Januar 2022, sondern seit Jahrhunderten.“
An der Initiative hatten sich bereits bei ihrem Start am 24. Januar 2022 auch Ordensmenschen beteiligt. Weitere Mitglieder verschiedener Ordensgemeinschaften haben sich in den Folgemonaten der Kampagne angeschlossen. Auch Ordensgemeinschaften als Ganze äußerten sich solidarisch. Die Interfranziskanische Arbeitsgemeinschaft (INFAG) unterstützte die Initiative gemeinsam mit vielen anderen katholischen Verbänden und Organisationen.
Die Veröffentlichung des Manifests von #OutInChurch erfolgte vor dem Hintergrund des Synodalen Weges in Deutschland. Dort haben die von der Deutschen Ordensobernkonferenz (DOK) für die Synodalversammlung nominierten Ordensfrauen und -männer sich für das Anliegen, dass queere Menschen in der Kirche einen Platz haben sollen, eingesetzt. So hat Fr. Simon Hacker OP als Mitglied des Synodalforums „Priesterliche Existenz heute“ einen Handlungstext zur Situation nicht-heterosexueller Priester in die Vierte Synodalversammlung im September 2022 mit eingebracht. Er wurde in erster Lesung mit über 90 % der Stimmen angenommen.
Der Hildesheimer Bischof und Ordensmann Dr. Heiner Wilmer SCJ forderte, eine Debatte darüber zu führen, „wie wir homosexuellen Paaren liturgisch und pastoral in einer guten Weise begegnen“. Die Segnung homosexueller Paare dürfe nicht tabuisiert, sondern müsse weiter diskutiert werden.
Ordensgemeinschaften haben sich im Verlauf des Jahres 2022 für eine Reform des kirchlichen Arbeitsrechts ausgesprochen. So äußerte sich der Provinzial des Jesuitenordens grundsätzlich zum Thema Diversität und machte im September deutlich, dass auch auf der Ebene der Zentraleuropäischen Provinz seines Ordens private Lebensentwürfe und die sexuelle Orientierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern arbeitsrechtlich keine Rolle spielen sollen. Er griff damit – wie auch andere kirchliche Organisationen – der Neufassung des Kirchlichen Arbeitsrechts vor, die der Verband der Diözesen Deutschlands im November beschlossen hat.
Im Blick auf den Start von #OutInChurch vor nunmehr einem Jahr resümiert Br. Andreas: „Der befreienden Kraft des Evangeliums Geltung zu verschaffen bedeutet auch, in unseren Ordensgemeinschaften ein Klima zu schaffen, in dem es möglich ist, angstfrei über Fragen der Sexualität, der Diversität und der eigenen Identität und Orientierung sprechen zu können. Hier bleibt nach wie vor Vieles zu tun und wir dürfen in unseren Bemühungen nicht nachlassen.“