Ordensgemeinschaften in Deutschland

Es wächst zusammen

„Es wächst zusammen, was zusammen gehört…“

Ein bekanntes Zitat von Willi Brandt kommt mir in den Sinn, wenn ich darüber nachdenke, was uns als Gemeinschaft, die einen Heilungsauftrag hat, bewegt. Als Sr. Michaela Bank und ich vor 30 Jahren nach Marzahn-Hellersdorf im Ostteil der Stadt Berlin kamen, war uns wichtig, Menschen und ihre Geschichte(n) erstmal kennenzulernen, denn wenn wir heilen wollten, galt es zunächst, das Neue und Gute für uns zu entdecken, aber auch die Wunden und Narben unserer Gesellschaft hier bewusst zu machen und anzuschauen. Dies war uns nur möglich, weil Menschen uns auf gleicher Augenhöhe offen begegnet sind und wir uns gemeinsam auf dem Weg schrittweise angenähert haben. 

Die Begleitungsprozesse haben unterschiedlich lange gedauert, war uns doch Vieles neu und unbekannt: das Leben und auch das politische System in der DDR, Probleme wie Opfer-Täter-Erfahrungen und die Folgen, unter denen Menschen bis heute leiden. Den Weg mitzugehen und dabei in Respekt die Geschichte und Kultur der Menschen in ihrer Differenziertheit zu sehen, war unser Ziel. 

Wir sind eingetaucht in ein anderes Denken, eine andere Sprache und sind oft auf Blockierungen gestoßen, wie eine Unfähigkeit, über Gefühle und Erlebnisse zu sprechen - ein Weg, damit besser umgehen zu lernen, habe ich durch Musik-(therapie) geebnet, indem das Gefühlte erst nonverbal hörbar wurde und wir dann Worte gefunden haben, um es auszudrücken. Musik in ihrer Spiritualität hat dazu das Tor geöffnet. Auf diesem Weg in unserer Beratungsstelle haben vor allen Dingen Frauen einen tieferen Zugang zu sich gefunden und einen Punkt in sich entdeckt,“ in dem Leben ist“und wie wir sagen: nur Gott wohnt. 

Mit dieser mystischen Dimension in Kontakt zu kommen ist ein Geschenk, was viele sehr langsam nur „auspacken“ konnten. Diesen Weg der „Individualisierung“ mit Einzelnen und auch Gruppen gehen zu können ist für uns alle ein Heilungsprozess. In Hoffnung und Zuversicht auf ein „besseres Leben“ konnte sich so manche Wunde schließen und vernarben. Es gibt noch viel zu tun, wenn wir heute 2022 an die deutsche Einheit denken: Aber im Vertrauen auf diese heilende göttliche Präsenz sind wir auf einem guten Weg und lassen uns trotz der Widerstände nicht entmutigen.

Über die Autorin

Sr. Angelika Kollacks ist Mitglied der Missionsärztlichen Schwestern.

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