Ordensgemeinschaften in Deutschland

"Geführt werden"

Es wird der Tag kommen, an dem aus allen vier Windrichtungen die Auserwählten zusammengeführt werden, um an der Freude in Fülle vor dem Angesicht Gottes teilzuhaben, so wird uns im Evangelium des heutigen Sonntags verheißen. Unser Leben hat Richtung und Ziel. Weil es für das ewige Heil des Menschen entscheidend ist, ob und wie er dieses Ziel erreicht, will Gott selbst, so sagt es die Bibel an vielen Stellen, dabei unser Führer sein.  

Das Wort Führer hat, besonders in Deutschland, einen schlechten Klang und es entspricht auch nicht mehr unserer Vorstellung von Mündigkeit und Selbstbestimmung. 

„Geführt werden“, damit verbinden sich oft Vorstellungen vom gleichen Schritt und Tritt, von Dauerstress und Verbotenund wir fürchten, dass wir da das Hier und Jetzt, die schönenMomente der Gegenwart nicht mehr wahrnehmen und genießen dürfen. 

Doch das Bild des Pilgerführers, der uns sicher und schnell auf dem kürzesten Weg zum Ziel bringt, ist nicht das einzige Bild, das sich mit dem Begriff des Führers verbindet.

Es gibt auch den Museumsführer und es gibt die Führung beim Tanz.  

Aufgabe eines Führers in Museen oder bei Ausstellungen ist es, die Geführten zum ruhigen Betrachten, zum schauenden Verweilen bei den kleinen und großen Kostbarkeiten und zum „Schmecken“ der Schönheit anzuregen, die Kunstfertigkeit wahrzunehmen und sich vom Glanz der Dinge berühren zu lassen. 

Sich beim Tanz führen zu lassen schenkt personale Nähe, leib-haftigen Gleichklang, mitfühlendes Beisammensein, es ermöglicht ganzheitliche Begegnung mit einem Du, Freude über die Gemeinsamkeit, in der nur der Augenblick zählt. 

Mir scheint, wir trauen es Gott oft nicht so recht zu , dass er uns nicht nur wie Pilger zielorientiert voranführt, damit wir nicht auf Umwege geraten, sondern auch nach der Weise eines Kunstführers und wie im Tanz. Das gilt, so denke ich, sowohl für den einzelnen Christen als auch für das ganze Volk Gottes. 

Dass der Weg der Kirche nicht eine ständige Vorwärts- und Aufwärtsbewegung ist, dass sie manchmal nicht gleich von ihrem Standpunkt loskommt oder sich zuweilen wie im Kreis dreht, wäre dann nicht einfach ein Zeichen von Trägheit, sondern das sich Einfühlen in die Art der Führung, die Gott gerade für angebracht hält.  

Damit wir das können, brauchen wir das „hörende Herz“ und das wird uns gegeben, wenn wir die Aufforderung vom heutigen Ruf vor dem Evangelium beherzigen: „Wacht und betet allezeit.“

Über die Autorin

Sr. M. Dominika ist Provinzoberin der Schwestern von der hl. Elisabeth der Provinz Deutschland.

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