Ordensgemeinschaften in Deutschland

Weihnachten 2022

                  

Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott 

und das Wort war Gott. Dieses war im Anfang bei Gott. 

Alles ist durch das Wort geworden 

und ohne es wurde nichts, was geworden ist.

In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen.

Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst.

Johannes 1,1-5

Wir feiern Weihnachten. Jesus Christus - das lebendige Wort Gottes - wurde Mensch, einer von uns. 
Vor einem Jahr besuchten wir unsere Schwestern in Indien. Während dieser Zeit waren wir bei unseren Schwestern in Ramgarh, Jharkhand; sie bauen dort eine neue Schule und wir wollten die Baustelle besichtigen. Auf dem Weg zurück zum Konvent, besuchten wir die Menschen, die in einer Lepra-Kolonie in der Nähe leben. Einige unserer Schwestern unterrichten dort Männer und Frauen in Gesundheitsfürsorge, Wundversorgung, Hygiene und vielen anderen Bereichen. Sie kümmern sich um die Kinder in der Lepra-Kolonie und ermöglichen ihnen den Schulbesuch. Sie verbinden ihre vielen Wunden, die diese Menschen so offensichtlich an den Rand der Gesellschaft drängen. 

Der Tag war bereits vorüber, als wir die Lepra-Kolonie erreichten. Wir kamen zu spät, weil wir im Stau steckten. Im Abendlicht konnten wir die armen Hütten immer noch erkennen, aber es war schwer, die Gesichter der Menschen zu sehen, die wir eigentlich besuchen wollten. Hier und da erhellte ein offenes Feuer die engen Gassen zwischen den Hütten oder warf ein mildes Licht auf die Menschen und Tiere, die dort lebten. Die Leute begrüßten uns sehr freundlich und luden uns in ihre armseligen Hütten ein. Als ich die Hütte auf dem Bild oben sah, fühlte ich mich so stark an Weihnachten erinnert, an die Geburt unseres Herrn Jesus Christus, der in einem elenden Stall geboren wurde. 

Später trafen wir einen alten Mann; er begrüßte uns so freundlich, indem er - so sah es aus - seine Hände faltete, sie an seine Stirn hob und sich zur Begrüßung nach vorne beugte. Es dauerte nur einen Moment, bis wir merkten, dass er keine Hände mehr hatte, sondern nur noch Stümpfe. Er brachte zum Ausdruck, wie sehr er sich über unseren Besuch freute, aber er war traurig, weil wir zu spät kamen. Er bat uns, bei Tageslicht zurückzukommen, damit er unsere Gesichter sehen könne. 

Obwohl der alte Mann spärlich in Lumpen gekleidet war, strahlte er eine große Würde aus. Wir fühlten uns so klein und beschämt - Tränen standen uns in den Augen in der Dunkelheit. 


Er bat uns, bei Tageslicht zurückzukommen, damit er unsere Gesichter sehen könne.“  Diese Einladung des alten Mannes ging uns sehr zu Herzen und nun, im Licht des Geheimnisses der Heiligen Nacht, hat diese Einladung in der Erinnerung noch einmal ein anderes Gewicht. 

Gott lädt uns ein, in die „armseligen Hütten“ dieser Welt - mit den vielen Gesichtern der Armut. Er lädt uns ein in den armseligen Stall zu Bethlehem, um staunend dort zu verweilen, uns ansehen zu lassen von Jesus Christus, der Mensch geworden ist und uns allein durch das Geheimnis seiner Liebe „Ansehen“ verleiht. Er schenkt uns sein Licht und eine Würde, die uns niemals mehr genommen werden kann. Denn:

„In ihm war Leben und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis.“

Das Kind in der Krippe ist der Garant dafür, dass der Mensch niemals seine Würde verliert. Beten wir füreinander, dass sich unser Glaube an die Menschwerdung Gottes vertieft und wir auch heute ein kraftvolles Zeichen lebendiger Hoffnung sein dürfen.

Weihnachten lädt uns ein, wieder neu auf Gottes Wort zu hören und Seinen Willen zu suchen - für das Leben der Welt und unsere Kirche - in dieser Stunde unserer Geschichte.  

Ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein gesegnetes Neues Jahr 2023!

Über die Autorin

Schwester M. Margarete Ulager ist Generaloberin der Kongregation der Krankenschwestern vom Regulierten Dritten Orden des hl. Franziskus

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