Lea Fränzle hat ein Freiwilliges Ordensjahr bei den Schwestern der schmerzhaften Mutter in Wien gemacht. Hier und im ordensjahr.de-Blog beantwortet sie unsere Fragen und erzählt von ihrer Zeit im Kloster.
Warum machen Sie ein „freiwilliges Ordensjahr“?
Beworben habe ich mich vor allem aus einer Faszination für das Phänomen Ordensleben heraus. Ordensleute hatte ich als wache Menschen erlebt, bei denen die Offenheit für und das Leben in der heutigen Zeit und die Verankerung in ihrer Tradition eine fruchtbare Spannung ergibt und von denen ich lernen kann. Außerdem wollte ich ausprobieren, was es mit dem eigenen Glauben und Zweifeln macht, in Gemeinschaft und mit einer verbindlichen Struktur zu beten.
Wie erleben Sie das Zusammenleben mit den Ordensleuten?
Ich bin herzlich aufgenommen worden und wurde als Teil der Gemeinschaft behandelt. In der Gemeinschaft zählt, dass jede sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten einbringt, von der Gestaltung der Gebetszeiten über die Tischgespräche bis zum Abwasch danach. Ich hatte jederzeit die Möglichkeit, Fragen zu stellen und auch persönliche Fragen, beispielsweise nach den Berufungsgeschichten oder Glaubenszweifeln der Schwestern, wurden sehr offen beantwortet. Umgekehrt waren die Schwestern an meinen Wahrnehmungen interessiert und haben das Einbringen der eigenen Perspektive auch explizit eingefordert.
Natürlich führen die große Altersspanne in der Gemeinschaft, verschiedene Lebenswelten und die Eigenheiten jeder Einzelnen gelegentlich zu Spannungen, aber es war ein großes Bemühen um einen feinen Umgang miteinander und eine klare Kommunikation spürbar.
Gibt es ein Erlebnis, das Ihnen besonders in Erinnerung ist?
Viele kleine. Ars pro toto:
Donnerstagabend ist in der Regel ein Bibelgespräch zum Evangelium des folgenden Sonntages. Nach der Lesung und einer Zeit der Stille sagen alle, was sie zu der jeweiligen Stelle denken, was sie berührt hat, welche Fragen sie an den Text haben. Eine junge Juristin, die auch in der Gemeinschaft mitlebt und ich haben uns auf grammatikalische Feinheiten gestürzt, wenn-dann-Beziehungen analysiert; am Ende blieben viele Fragen. Das haben die Schwestern ernst genommen, mit uns diskutiert und vor allem auch ihre Lesart des Textes beigetragen. Wo wir mit dem Kopf herangegangen sind, haben sie - so kitschig das klingen mag - mit dem Herzen gelesen und dabei eine Weisheit aufscheinen lassen, vor der ich nur staunen konnte.
Was "macht" das Ordensjahr mit Ihnen?
Die Zeit im Kloster hat meinen Horizont geweitet. Ich hatte viel Raum zur Reflexion, dadurch habe ich mich selber besser kennenlernen und an mir arbeiten können. Die Gemeinschaft wirkt als Korrektiv und Unterstützung in dieser Entwicklung: zum Beispiel musste ich lernen, in meiner Kommunikation auf die älteren Schwestern einzugehen, damit auch eine Schwester Mitte 70 versteht, was ich ihr am Computer erkläre. Die Struktur gibt einen Rahmen vor, der nicht wie zuerst befürchtet einengt, sondern mir geholfen hat, disziplinierter zu werden. Meine Noten dieses Semester zeugen davon. Außerdem hatte ich Gelegenheit, über den Glauben nachzudenken und ganz selbstverständlich mit anderen darüber zu sprechen. Ich zweifle jetzt nicht weniger als vorher, aber habe einige neue Zugänge und Gebetsformen kennenlernen dürfen und einen Einblick in franziskanische Spiritualität bekommen.
Das FOJ erfordert Offenheit und ein Sich-Einlassen auf Dinge, die einem erstmal fremd erscheinen. Wenn man dazu bereit ist, kann man unheimlich viel entdecken. Neben einer ausgeprägten Vorliebe für österreichische Mehlspeisen und ein gewachsenes liturgisches Empfinden nehme ich vor allem viele gute Erinnerungen mit.