Ordensgemeinschaften in Deutschland

Notfallseelsorge: Wie wichtig es ist, für die Nächsten da zu sein

Erfahrungen während der Flutkatastrophe im Ahrtal und im Kreis Euskirchen

„Ich bin jetzt einfach nur für dich hier“: Das, könnte man sagen, ist die Quintessenz aller Aktivitäten rund um die Notfallseelsorge. Doch wo bleiben Gott, seine Botschaft und die geistige Welt jenseits menschlicher Krisenintervention und Begleitung? Notfallseelsorge geht als qualifizierter seelischer Beistand und als akute seelsorgliche Hilfe in den ersten Stunden deutlich weiter als die „Erste Hilfe für die Seele“, sagt der Redemptorist P. Jünger Langer. Er gehört zu der Gruppe von Notfallseelsorgern, die für die Großregion Bonn/Rhein-Sieg zuständig ist. Diese besteht derzeit aus 35 ausgebildeten Notfallseelsorgern, die einsatzbereit sind und sich in ständiger Weiterbildung befinden. In der heutigen säkularisierten Gesellschaft ist es nicht leicht Ordensleute in der Notfallseelsorge tätig zu finden, und dies macht das Engagement von P. Langer besonders interessant. Wie er berichtete, in der heutigen Realität setzen sich die Ökumenische Notfallseelsorgesysteme aus Menschen sehr unterschiedlicher Profession, Lebenserfahrung und auch Religiosität zusammen.

Das Jahr 2000 war der Startschuss für die ökumenische Notfallseelsorge Bonn/Rhein-Sieg. Damals schlossen sich einige aktive Seelsorger und psychosoziale Fachkräfte in Bonn zusammen, um ein Notfallseelsorgesystem aufzubauen, das dauerhaft als Teil der Notfallversorgung für das Bonner Stadtgebiet und den Rhein-Sieg-Kreis funktionieren sollte. Dieses Projekt hat sich seitdem enorm entwickelt. Die Tatsache, dass die Zahl der Notfalleinsätze im Laufe der Jahre auf ein sehr hohes Niveau von mehr als 300 Einsätzen pro Jahr gestiegen ist, zeigt nicht nur den Bedarf an akuter Krisenhilfe in der Region, sondern auch die große Akzeptanz des Projekts.

Als in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli der Wassereinbruch die schlimmste Naturkatastrophe der letzten Jahre in Deutschland auslöste, war P. Langers Notfallseelsorgegruppe bereits vor Ort. Um 0.24 Uhr in der Nacht der Überschwemmungen erhielten sie die erste dringende Bitte um notfallseelsorgliche Hilfe aus einem der am stärksten betroffenen Bezirke. Diese ersten Nachteinsätze waren der Beginn wochenlanger intensiver Notfallseelsorge für Opfer, Rettungsdienste und spontane Helfer. Die Koordinierungsstelle wurde in einem Teil des Redemptoristenklosters in Bonn eingerichtet. P. Langer erzählt: „Was wir, von der Flutnacht angefangen, in den Einsätzen antrafen, waren vom Flutereignis schwer gezeichnete und schockierte Menschen, die als Evakuierte alles zurücklassen mussten oder als Betroffene vieles oder gar alles verloren hatten. In den ersten Stunden und Tagen waren sich viele Menschen noch gar nicht bewusst, dass sie die Ereignisse dieser Nacht über Wochen und Monate und Jahre beschäftigen, belasten und sie langfristig seelisch verändern sollten. Die ersten Stunden waren vom Bemühen geprägt, das Schicksal von Familienangehörigen, Nachbarn und Freunden zu klären“.

Die Tatsache, dass sich der religiöse Glaube je nach Lebenserfahrung verändert, ist eine allgemeine Erfahrung. „Das Sein – so könnte man in Anlehnung an einen bekannten Ausspruch sagen – bestimmt auch hier das Bewusstsein“. Und eine Katastrophe dieses Ausmaßes brachte die Betroffenen dazu, sich grundlegende Fragen über Gott, das Leben und die Zukunft zu stellen. Es geht im Dienst der Notfallseelsorge nicht um den großen Auftritt eines psychologisch ermächtigen Krisenmanagers, sondern um eine leise, qualifizierte, unterstützende Präsenz, um ein personales Angebot an die Menschen in Not. Das ist gemeint mit „Ich bin jetzt einfach nur für dich hier“. P. Langer ist daher überzeugt, dass Ordensleute für die Arbeit der Notfallseelsorge besonders geeignet sind. Erstens, weil das Ordensleben schon immer durch ein hohes Maß an Verfügbarkeit der Ordensleute gekennzeichnet war. Zweitens bereiten die Gelübde auf konkrete Aufgaben vor, denn sie machen den Menschen frei für den Dienst an Gott und den Menschen. Deshalb könnten Ordensleute, so meint P. Langer, in diesen Nothilfeteams ein Beispiel religiösen Lebens geben, das sich in besonderer Weise Gott und den Menschen zur Verfügung gestellt hat. Es geht darum, was mich trägt, ob Gott in unserem Leben erfahrbar ist, aber vor allem, ob Gott auch in den schlechten Zeiten da ist oder in unserem Alltag erfahrbar ist.

Ende Juli erscheint das 3/22 Heft der Ordenskorrespondenz mit dem Themaschwerspunkt Seelsorge. Darin erscheint der Artikel von P. Langer "Mehr als Erste Hilfe für die Seele".