DOK-Mitgliederversammlung 2022 wählt neuen Vorstand und diskutiert ethische Grenzfragen im caritativen Bereich
Bonn. Am Mittwochvormittag, 18. Mai, ist in Bonn die Mitgliederversammlung der Deutschen Ordensobernkonferenz (DOK) zu Ende gegangen. Im Rahmen der Tagung wurde ein neuer Vorstand gewählt. Neuer Vorsitzender der DOK ist Br. Andreas Murk OFMConv, Provinzialminister der Franziskaner-Minoriten Provinz St. Elisabeth. Br. Andreas wurde 1983 in Dettelbach geboren. Er trat 2003 in die Ordensgemeinschaft ein, studierte Theologie in Würzburg und Washington, und wurde 2010 zum Priester geweiht. Er leitet die Provinz St. Elisabeth seiner Ordensgemeinschaft seit Herbst 2019. Zur stellvertretenden Vorsitzenden wählte die Versammlung die Generaloberin der Schwestern der hl. Maria Magdalena Postel, Sr. Maria Thoma Dikow SMMP.
Zusammen mit der Generalsekretärin bilden sie den geschäftsführenden Vorstand. Auch dieses Amt wurde im Rahmen der Tagung neu besetzt. Die Mitglieder wählten die Generalleiterin der Ordensgemeinschaft der Missionarinnen Christi, Sr. Hildegard Schreier MC, in diese Aufgabe. Die Diplomtheologin übernimmt das Amt für eine verkürzte Amtszeit von einem Jahr von der scheidenden Generalsekretärin, Sr. Agnesita Dobler, die die Aufgabe seit 2014 innehatte.
Die bisherige Vorsitzende der DOK, Sr. Dr. Katharina Kluitmann OSF, stand nicht mehr zur Wahl. Da sie in ihrer Ordensgemeinschaft das Amt der Provinzoberin abgegeben hat, scheidet sie aus der DOK aus. Sie hatte den Vorsitz der DOK seit dem Jahr 2018 inne. Der als 2. Vorsitzender ebenfalls scheidende Prior P. Bruno Robeck O.Cist. (Zisterzienserkloster Langwaden) dankte Sr. Katharina herzlich für ihren Dienst und die gute Zusammenarbeit im Vorstand.
P. Bruno wurden jedoch in den neuen erweiterten Vorstand gewählt, ebenso wie Sr. M. Karin Berger OSF, Generaloberin der Franziskanerinnen von Sießen, Sr. Katharina Hemmers OP, Generalpriorin der Dominikanerinnen von Bethanien, Frater Rudolf Knopp OH, Provinzial der Barmherzige Brüder vom hl. Johannes von Gott (Bayerischen Ordensprovinz), P. Peter Kreutzwald OP, Provinzial der norddeutschen Dominikaner sowie Abt Johannes Schaber OSB, Abt des Benediktinerklosters Ottobeuren.
Im Studienteil der Tagung ging es um Grenzfragen theologischer Ethik. Die Versammlung diskutierte die Konsequenzen des Bundesverfassungsgerichts-Urteils vom Februar 2020, das in Deutschland neben dem Recht auf Selbsttötung auch eine Suizidassistenz möglich macht. Andreas Lob-Hüdepohl, Professor für Theologische Ethik an der Katholischen Hochschule für Sozialwesen Berlin und Mitglied des Deutschen Ethikrates, rief in diesem Zusammenhang in Erinnerung, dass ein "diakonieethischer Imperativ" zur katholischen Identität gehöre: Auch in extremen Situationen der Not, wie sie ein Suizid darstelle, gelte es, bei den Menschen zu bleiben und ihnen auch in – vielleicht befremdliche – Lebenswelten nachzugehen. Dies bedeute auch, dass Todeswünsche ernstzunehmen seien. Er plädierte für den unbedingten Respekt vor dem Letztentscheid von Betroffenen. Zugleich gelte es jedoch stets, die "Sichtachsen auf das Leben" offenzuhalten und für Menschen in diesen Situationen einen "palliativ-barmherzigen Schutzraum" zu schaffen, der diese Perspektive ermögliche. Dies sei eine besondere Aufgabe kirchlicher caritativer Einrichtungen. Den Gesetzgeber forderte Lob-Hüdepohl auf, für eine Stärkung der Suizidprävention Sorge zu tragen. Es gelte, Normalisierungstendenzen durch Regelangebote in der Suizidbeihilfe zu verhindern. Zwar könne ein krankheitsbedingter Suizid "letzter Ausdruck äußerster Freiheit" sein, allerdings warnte er vor Verharmlosung oder gar Heroisierung einer solchen Entscheidung.
Seitens eines der großen caritativen Träger im Ordenskontext bekannte sich Dr. Albert-Peter Rethmann, Sprecher der Geschäftsführung der BBT-Gruppe (Barmherzige Brüder Trier) zum Einsatz für die Verletzlichen, Alten und Schwachen. Gerade in den Situationen an den Grenzen des Lebens werde deutlich, wie human eine Gesellschaft sei. Es gehe um das Leben, gerade in Zeiten der Verletzlichkeit. Das Urteil von 2020 habe auch in den ordensgetragenen Einrichtungen zu intensiven Diskussionen geführt. Für seine Organisation bleibe der handlungsleitende Auftrag der Beratung und Begleitung bestehen, auch wenn ein Mensch den Entschluss gefasst habe, sein Leben zu beenden. Gerade ein Sterbewunsch müsse immer Auslöser für intensive Beratung und Begleitung eines Menschen sein. Die Einrichtungen organisierten keinen assistierten Suizid. Es werde jedoch auch niemand fortgeschickt, wenn er sich externe Hilfe dazu hole. Zentral sei für die BBT-Gruppe, Beistand zu leisten, auch im Moment des Todes. Es gelte, Mitarbeitende zu befähigen, Menschen in Extremsituationen zu begleiten. Dazu brauche es Schulung und Supervision. Zur Vielzahl der anstehenden Aufgaben gehöre die Suizidprävention und der Ausbau der Palliativversorgung.
Die Versammlung blickte auch auf ethische Fragestellungen, die im Zusammenhang der zurückliegenden zwei Jahre der Corona-Pandemie drängend geworden sind. Prof. Lob-Hüdepohl beschrieb die Pandemie als Landschaft "tragischer Priorisierungsentscheidungen". In vielfältigen Entscheidungskonflikten seien "Güterabwägungen" notwendig geworden. An der einen Stelle zu priorisieren, bedeute jedoch stets, anderes hintanzustellen. Neben ethischen Fragen im Zusammenhang mit medizinischer Triage und im Zusammenhang der Frage nach einer Impfpflicht verwies er vor allem auf psychosoziale und gesundheitliche Begleitschäden, die die Lockdowns mit sich gebracht hätten. Zu blicken sei hier in besonderer Weise auf Personen in Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, der Behindertenhilfe, der Sozialpsychiatrie und in Pflegeheimen, denen Besuche weitgehend vorenthalten und für die nahezu sämtliche Freizeit-, Arbeits-, Bildungs- und Therapie-Angebote eingestellt wurden. Gerade hier sei große Verletzlichkeit deutlich geworden, aber auch die Fähigkeit, in extremen Situationen zu widerstehen. Dieses "Resilienz“ in „Situationen (strukturellen) Verletztseins und Verletztwerdens" gelte es für die Zukunft verstärkt in den Blick zu nehmen. Einrichtungen, die sich in der Pandemie als verletzlich erwiesen hätten, müssten personell und strukturell gestärkt werden. Dies gelte auch und gerade für Einrichtungen, die sich um Kinder und Jugendliche kümmern.
Die Deutsche Ordensobernkonferenz (DOK) vertritt die Interessen der Ordensgemeinschaften in Deutschland mit rund 11.800 Ordensfrauen und knapp 3.400 Ordensmännern, die in etwa 1400 klösterlichen Niederlassungen leben.