Ordensgemeinschaften in Deutschland

Ordensleute beim Synodalen Weg: Eindrücke und Wahrnehmungen

Am 2. Oktober 2021 endete die zweite Synodalversammlung des Synodalen Weges in Frankfurt am Main. Auch die Deutsche Ordensobernkonferenz hat zehn Delegierte zum Synodalen Weg entsandt. Weitere Ordensleute waren als Mitglieder in Synodalforen vertreten. Im Nachgang der Veranstaltung haben einige von ihnen ihre Eindrücke von der Versammlung zusammengefasst. Gemeinsam ist den Statements, dass im Verlauf der Tagung nach anfänglicher Skepsis Zuversicht gewachsen ist: Der Synodale Weg kann für die katholische Kirche im 21. Jahrhundert Reformen in guter Weise voranbringen.

Zu Beginn der Versammlung empfand ich die Stimmung sehr gespannt und aufgeladen. Dieses Gefühl legte sich meiner Meinung nach am folgenden Tag. Wie auch in der ersten Vollversammlung, fand ich auch in dieser, eine offene Atmosphäre,wo frei geredet und diskutiert werden durfte. Sehr hat mich beeindruckt, wie leidenschaftlich sich einige für ihre Anliegen eingebracht haben, trotz aller Wut und Enttäuschung die zur Sprache kam. Mir kam das Bild vom glimmenden Docht der gehegt und gepflegt wird wie ein Schatz, so daß er nicht erlischt. Diesen Hoffnungsglimmer fand ich sehr spürbar, und hoffe, träume das DIESER wieder zu einer sichtbaren Flamme wird. Die Arbeitsweise im Umgang mit den erarbeiteten Texten fand ich sehr konstruktiv und strukturiert. Eine Überraschung und für mich war, dass diese meist mit großer Zustimmung angenommen wurden. Ich wünsche mir, dass es offen und leidenschaftlich weiter geht, und der hl. Geist wirkt.


Als wir die Präambel und den Orientierungstext in der Synodalversammlung behandelten, kam immer wieder die Frage auf, wer dieses „Wir“ ist, von dem in den Texten die Rede ist. Diese Frage beschäftigte mich bis spät in den zweiten Abend und ich schrieb in mein Tagebuch: Ich träume von einer gehorsamen, dialogfähigen Kirche, die das Amt der Leitung in dienend-geschwisterlicher Haltung sichtbar macht und damit zum Segen wird für diejenigen, die in unserer Kirche durch strukturelle Macht machtlos und ohnmächtig gehalten worden sind. Ich träume von einer jungfräulichen, beziehungsfähigen Kirche, die ihre priesterliche Berufung öffnet für alle Getauften und Gefirmten und dies auch sichtbar macht in der aktiven Teilhabe aller Gläubigen in unseren Gottesdiensten, die der Kern unseres gemeinschaftlichen Erinnerns sind, woher wir kommen und wohin wir gehen. Ich träume von einer armen, solidarischen Kirche, die fähig ist, Anteil zu nehmen am Leid der Vielen in unseren eigenen Reihen und in der Gesellschaft. Ich träume, dass unsere Berufung zum Zeugnisgeben, aus dem Evangelium aus dem wir leben, kirchen- und gesellschaftspolitische Zeichen setzt für die Vielen, die um ihre Würde nicht mehr alleine kämpfen können. Nach einem Gespräch mit einer Sprecherin aus dem Betroffenenbeirat habe ich den Eindruck, dass wir in diesen Tagen diesem Traum ein gutes Stück näher gekommen sind.


Ich gehöre zu den Teilnehmer*innen des Synodalen Weges, die mit eher gebremstem Optimismus unterwegs sind.  Daher reiste ich mit gemischten Gefühlen nach Frankfurt und mit einer großen Portion Skepsis bezüglich der Diskussionen und Abstimmungen. Und dann war ich sehr (!) überrascht darüber, mit welcher Einigkeit die eingeschlagene Richtung bestätigt wurde. Das hat mich wirklich ermutigt. Mit großer Sitzungsdisziplin und Durchhaltevermögen wurde diskutiert und abgestimmt. Dies werte ich als tatsächlichen Reformwillen. Und so weicht die Skepsis Stück für Stück der Hoffnung, dass es nicht bei Worten bleibt, sondern Taten folgen. Es könnte sein, dass mein Traum von Kirche, den ich seit Kindheitstagen hege, kein Traum bleiben muss. Jedenfalls bin ich mit dem Gefühl nach Hause gefahren: Und sie (die Kirche) bewegt sich doch.


Mein Fokus: Ordensleute auf dem Synodalen Weg. In der Synodal-Aula habe ich die Ordensleute diesmal stiller erlebt, aber durchaus präsent. Viele hatten intensiv in den Foren mitgearbeitet. In den Pausen wurde Vernetzung gepflegt, untereinander und mit vielen anderen, die mit uns auf dem Weg sind. Gemeinsam auf dem Weg. Das ist für mich ein wichtiges Stichwort. Ich erlebe das sehr beglückend so, mit vielen, mit fast allen. Wo einzelne die Weg-Gemeinschaft aufkündigen, beim Essen, indem sie früher abreisen, da tue ich mich schwer. Und ganz am Ende ist mein Verständnis, wenn einzelne demonstrativ der Eucharistie fernbleiben. Ich frage mich, ob wir Ordensleute mit unseren Erfahrungen in Gemeinschaft etwas beitragen können, dass niemand abgehängt wird – und dass niemand sich selbst abhängt. Aber vielleicht ist das zu viel verlangt.


Als Mitglied des Forums I „Macht und Gewaltenteilung in der Kirche – Gemeinsame Teilnahme und Teilhabe am Sendungsauftrag“ war ich sehr gespannt, wie die Synodalen auf unsere eingebrachten Handlungstexte und unseren Grundtext reagieren würden. Wir haben im Forum sehr intensiv in unzähligen Online-Sitzungen miteinander gearbeitet und insgesamt bereits acht Handlungstexte zur ersten Lesung eingereicht. Soweit die Zeit reichte, wurden die Texte von der Synodalversammlung mit großer Mehrheit angenommen. Dies ist eine große Freude und auch Bestätigung. Es zeigt uns, dass wir inhaltlich auf dem richtigen Weg sind und Themen einbringen, die von großer Relevanz sind. Mit Mut und Freude werden wir vom Forum I nun weiter an den Texten arbeiten, sie verbessern, die Meinungen der Synodalen miteinarbeiten und dann in einer späteren Sitzung zur nächsten Lesung vorlegen.


Wie der Beobachter der polnischen Bischofskonferenz feststellte, gehören zur christlichen Anthropologie Leib, Geist und Unterlagen. Wir haben uns durch viele gut vorbereitete Dokumente durchgearbeitet und sie in Respekt vor den anderen diskutiert und darüber abgestimmt mit jeweils eindeutigen Ergebnissen. Dass dieses Tagungsformat für alle Beteiligten ganz neu und ungewohnt war, zeigte sich vor allem darin, dass die Tagung etwas früher geschlossen werden musste, da am Samstagnachmittag nicht mehr die erforderliche Zweidrittelanwesenheit der Mitglieder zur Beschlussfähigkeit gegeben war. Insgesamt bin ich sehr dankbar für diesen binnenkirchlichen Prozess und freue mich, ihn mitgestalten zu  können.
  


Die zweite Versammlung des Synodalen Weges werte ich in jeder Hinsicht als großen Erfolg. Alle in den vier Foren erarbeiteten Texte, die behandelt werden konnten, wurden in erster Lesung angenommen, die meisten mit großer Mehrheit. Die Debatten liefen diszipliniert, sachlich, fundiert, konstruktiv und wertschätzend ab. Momente des Innehaltens und des Gebetes haben im Frankfurter Congress Centrum die geistliche Dimension des Synodalen Weges sichtbar gemacht. Weg wird Weg im Gehen. Diese Weisheit hat sich bei dieser Versammlung gezeigt. Es gibt nun kein Zurück mehr. Dieser Weg wird die katholische Kirche in Deutschland nachhaltig verändern. Er wird - das bleibt zu hoffen - eine Avantgarde für die weltkirchlichen Beratungen zu Gemeinschaft, Partizipation und Mission, die in wenigen Tagen beginnen.


Ich bin dankbar und vorsichtig hoffnungsvoll aus Frankfurt abgereist. Positiv überrascht hat mich die konstruktive Arbeitsatmosphäre, die deutlich in der Sache war, in die Debatte ging und nicht mit Kritik sparte, aber das gemeinsame Ziel im Blick behielt. Es gibt aber Ausnahmen: jene, die spalten und Diskurse verweigern, Realitäten ausblenden und wissenschaftliche Erkenntnisse leugnen, mit unfairen Tricks spielen, ausgrenzen und menschenfeindliche Parolen abfeuern - und dann auch noch die Dreistigkeit besitzen, sich selbst als Opfer zu stilisieren. Das kennen wir von bestimmten politischen Akteuren. Pater Hagenkord SJ hatte recht: Die Diskursverwerfung liegt schon lange nicht mehr bei "progressiv" und "konservativ", sondern bei "konstruktiv" und "destruktiv".


Eine gelebte Synodalität war spürbar. Die konstruktive Debatte mit Ergebnissen zeigte das hohe Niveau der Streitkultur mit gegenseitiger Wertschätzung. Die großartige Ausarbeitung der Themen der einzelnen Foren und der mehrheitliche Konsens darüber schenken Mut und Hoffnung, weiterhin dabei zu bleiben und mitzumachen. Es wäre vertane Zeit, wenn wir warten würden, bis diese Themen, die in (fast) allen Ecken der Weltkirche bestehen, gesichtet werden. Warum kann Deutschland nicht Vorreiter sein?

     


Sr. Philippa Rath OSB: 

Die zweite Synodalversammlung war aus meiner Sicht eine gute, hoffnungsvolle und richtungweisende Zusammenkunft. Wir haben sehr ernsthaft, konzentriert und konstruktiv gearbeitet und das in einer – bis auf ganz wenige Ausnahmen – respektvollen Debattenkultur. Die hohe Zustimmung zu Präambel, Orientierungstext, und zu den allermeisten Texten und Handlungsoptionen zeigt die hohe Bereitschaft zu grundlegenden Reformen, auf die so viele warten und die wir vor allem den Opfern der sexuellen und sexualisierten Gewalt schulden. Gerade im Hinblick auf Letztere war ich dankbar, dass die offene  Aussprache zu den römischen Entscheidungen der vergangenen Wochen am Anfang möglich war und damit manch aufgestaute Wut in Mut zu einem Jetzt-erst-recht verwandelt werden konnte. Als Mitglied des Forums III „Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche“ hat mich natürlich auch der hohe Zustimmungswert zu den drei Handlungstexten aus unserer Arbeitsgruppe gefreut. Eine geistliche Erfahrung, die ich nicht missen möchte, war die Eucharistiefeier am Samstag, die schon rein äußerlich das Ora und das Labora wunderbar miteinander verband. Schade nur, dass sich ein kleiner Kreis rund um den Nuntius und einige wenige Bischöfe aus der Communio der Versammlung selbst ausgeschlossen hat und in einer Art „Gegenveranstaltung“ eine Heilige Messe andernorts feierte. Das lässt mich betroffen und traurig zurück, bestärkt aber auch meine Entschlossenheit, mich weiter beherzt für den Synodalen Weg zu engagieren. 


Sr. Bettina Rupp SSpS:

Die Synodale Versammlung bestärkte mich in der Hoffnung, dass die institutionelle Kirche, hörend auf den Geist Gottes und vertrauend in den Glaubenssinn des Gottesvolkes, es schaffen kann, ihre Strukturen auf den Prüfstand zu stellen, sie evangeliumsgemäß und am Primat der Liebe und Gerechtigkeit neu zu definieren und dem Leben, das sich in vielfältigen Formen ausdrückt, zu dienen.

Diese wirkliche Umkehr hat in dieser Versammlung konkrete Vorschläge in den ausgearbeiteten und bestätigen Papieren der Foren Ausdruck gefunden.
Ich bin dankbar für diese Hoffnung und allen, die sie ermöglicht haben. Sr. Bettina Rupp/Steyler Missionsschwester